Kommentar: Weltmeisterschaften und Irrenhaus

MERZIG – An diesem Wochenende findet die Radcross-Weltmeisterschaft in Louisville/Kentucky (USA) statt. Schon im Vorfeld bot diese WM viel Spannung, die bis zuletzt nicht nachließ, wie Oliver Corpus in seinem Kommentar deutlich macht.

Von Oliver Corpus

Hallo zusammen.

Weltmeisterschaften und Irrenhäuser haben nicht gerade wenig gemeinsam. In allen Belangen.

Eine Weltmeisterschaft ist immer auch ein Stück Irrenhaus. Wenn man das auch in Anführungszeichen anführen muss. Der ganze Aufwand, den eine WM mit bringt, sowohl für Sportler, die Sportverbände , wie auch den Ausrichter. Da plant man Monate, wenn nicht jahrelang und die richtigen stressigen Sachen kommen dann erst in den letzten Tagen und Stunden vor dem ersten Start.

So auch jetzt festzustellen bei der Cyclocross Weltmeisterschaft in Louisville / Kentucky. Was ja bekanntermaßen nicht gerade um die Ecke liegt für die Europäer. Ein „etwas größeres Meer“ und noch „etwas Land“ liegen zwischen Europa und eben diesem Louisville. Das heißt das alles Material und dazugehörigen Sportler und Begleitpersonen im Flieger über den Atlantik verfrachtet werden müssen. Richtung USA und dann im speziellen nach Kentucky. Den Namen dieses US-Bundesstaates kennen die meisten Europäer wiederrum nur durch ein bekannteres Fastfood Restaurant. Die jüngeren zumindest. Die Älteren haben vielleicht noch den Spielfilm „Der Mann aus Kentucky“ im Kopf.

Jetzt findet die Cyclocross WM also in jenem Kentucky statt. Und das sorgt dann auch kurz vor den Rennen für helle Aufregung und kommt damit auch zurück zum Irrenhaus.

Diese WM steht einfach seit Anfang an, als bekannt wurde, dass erstmals eine CX-WM in Übersee stattfinden würde, unter keinem guten Stern. Waren schon von Anfang an kritische Stimmen laut, vor allem natürlich von den klassischen Cross Nationen wie Belgien, Frankreich und den Niederlanden, die ja wegen der Größe ihrer Delegationen auch den größten Aufwand an finanziellen Aufwendungen und Personal haben, wegen des Austragungsortes, kamen schon bald finanzielle Probleme des amerikanischen Ausrichters an die Öffentlichkeit. Eine Verlegung nach Europa war sogar im Gespräch. Außerdem trauten viele Leute den US Organisatoren nicht zu, ein solches Event stemmen zu können. Das Ganze zog sich wie ein roter Faden durch die ganze Geschichte Cyclocross WM in den USA.

Hatte man dann durch Zuhilfenahme von erfahrenen Leuten aus Euopa dann halbwegs alles im Griff, ging nun in der letzten Woche vor den WM Starts das Irrenhaus in seine finalen Tage. Und man ahnte es irgendwie bereits. Irgend etwas musste noch kommen. Solche rote Fäden werden selten auf einmal abrupt abgeschnitten.

Und so kam was kommen musste und die Dinge nahmen ihren ganz eigenen Lauf.

Das Wetter spielte schon die ganze Woche verrückt. Wie passend für ein Irrenhaus. Alle vier Jahreszeiten innerhalb von wenigen Tagen erlebt man wohl auch nur im Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Von Frühling bis Winter war da alles dabei , glaubt man den Medien und Leuten vor Ort.

Und es sollte noch schlimmer kommen. Der Ohio River, ein doch bekannterer Fluss in den USA, der dummerweise, oder auch zufällig genau entlang der Rennstrecke der WM fließt, beschloss sein alljährliches Hochwasser genau an diesem Wochenende zu führen. Alljährlich sagt ja, dass es bekannt ist, oder war, dass der Ohio öfter mal über seine Ufer tritt und die Umgebung von Ohio River in Lake Ohio verwandelt. Das sollten eigentlich auch der Organisator der WM und auch der Dachverband, also die UCI, wissen. Man könnte jetzt unterstellen, dass aus irgendwelchen „unerfindlichen“ Gründen gerade diese WM, an gerade diesem Ort, mit aller Gewalt stattfinden musste.

Jetzt ist ein Hochwasser ja nicht immer die Katastrophe schlechthin. Auch in Europa gibt es das. Nur halt weniger oft, selten bis nie auf dem Gelände, auf dem eine Weltmeisterschaft stattfinden soll. Schlamm und Dreck sind wir ja hier auch gewohnt. Nur kann ich mich nicht erinnern, irgendwann einmal mit dem Kanu zum Materialdepot gepaddelt zu sein. Vielleicht verstanden die Amerikaner das Wort Cross auch irgendwie anders. Man weiß es nicht. Spaß beiseite.

Folge dieses „überraschenden“ Ohio Hochwassers ist nun das erstmalig in der Geschichte der Cross WM alle vier Wettbewerbe in den einzelnen Klassen an einem einzigen Tag ausgefahren werden. Das heißt am heutigen Samstag beginnend mit den Junioren ab 15.45 Uhr, europäischer Festlandszeit. Die Frauen folgen dann um 17.00 Uhr , die Espoirs /U23 um 18.30 Uhr und die Elite dann um 20.30 Uhr. Der komplette Sonntag wurde aufgrund des zu erwartenden Hochwassers und der Überflutung des Geländes gestrichen!

Das alles heißt für alles und jeden richtigen Stress und richtigen Aufwand. Bei Sportlern und Betreuern sowieso. Aber auch bis hin zu diversen public Viewings in Europa, die geplant waren für den Sonntag.

Den Sportlern an sich wird es fast egal sein, ob sie einen Tag früher fahren. Das betrifft sowieso auch nur die Elite Fahrer und Frauen. Aber die Betreuer, die auch nicht in dem Umfang vor Ort in den USA sind, wie das sonst in Europa der Fall wäre, kommen richtig ins rotieren! Bedeuten zwei Rennen in solch einer Größenordnung schon immensen Stress für das betreuende Volk, sind vier Rennen hintereinander Stress pur! Da muss wirklich jede verfügbare Hand mit anpacken und wohl auch Leute herangezogen werden, die sonst nur repräsentative Aufgaben haben. Vor allem Nationen mit großem Kontingent an Sportlern in allen Klassen betrifft das. Die Mechaniker und Soigneurs werden in höchstem Alarm heute ihren Job machen müssen. Bei dem zu erwartenden Wetter und Streckenverhältnissen wird da jeder Mann und jede Frau am rotieren sein. Eben wie im Irrenhaus. Aber man wird auch das bewältigen. Da bin ich mir sicher. „Fahrendes Volk“ bei den Crossern ist Improvisation gewöhnt und da hilft man sich in, oder zur Not, auch untereinander. Nicht zuletzt werden die mittlerweile total Cyclocross verrückten amerikanischen Zuschauer der Weltmeisterschaft im Cyclocross den Rahmen geben, den man auch in Europa gewohnt ist! Eine riesige Party der Nationen mit actionreichem Sport und am Ende gefeierten „Helden“ des Sports !

In dem Sinn. Let the games begin ! Rock’n roll at Louisville! (oc)

Mehr von Oliver Corpus können Sie in seinem Blog http://cx-racing.blogspot.de lesen.

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Stephan Dietel
Gründer | Redaktionsleitung | CvD | Ressortleitung Straße | Leitung Multimediaredaktion | sd@radsportnachrichten.com

Er wohnt im Gießener Ortsteil Rödgen und legte im Jahr 2001 mit Erlebnisberichten über selbst gefahrene Radrennen den Grundstein. Mit großem Interesse am Radsport und am Journalismus entwickelt er mit seinem Team die Radsportnachrichten aus Mittelhessen immer weiter.

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