Publikum zitterte mit Moritz Schütz

GIESSEN – Elitefahrer Moritz Schütz von der Radfahrervereinigung 1904/27 Gießen-Kleinlinden hat seine Favoritenrollen im A-/B-Klasse-Rennen bei „Rund um das Stadttheater“ erwartungsgemäß in einen Sieg verwandelt.

Zeitweise stand der Ausgang des Rennens für den Lokalmatador jedoch auf der Kippe, denn erst in der vorletzten Wertungsrunde konnte er das Blatt im Kampf um den „Großen Preis der Sparkasse Gießen“ zu seinen Gunsten wenden und war am Ende nicht nur glücklich sondern auch sichtbar gerädert.

Frauen mit Selbstvertrauen erfolgreich unterwegs

Frauen-Radrennen

Eine beflügelnde Wirkung schien das Rennen vor heimischem Publikum auch für Julia Wiedemann, Pauline Turschner und Petra Hagel (alle RSG Gießen und Wieseck) gehabt zu haben, die bei den Frauen nach 50 Runden auf die Plätze sechs, neun und zehn kamen.Sie konnten zwar nicht in den Wertungsrunden punkten, aber mit kämpferischer Leistung den Anschluss halten und den deutlich erfahreneren Gegnerinnen Paroli bieten. Wiedemann und Turschner fuhren die jeweils zu den schnellen Punktesprints entstandenen Lücken konsequent und eindrucksvoll wieder zu und ließen es sich nicht nehmen, vor heimischem Publikum auch die Tempokontrolle des Feldes zeitweise zu übernehmen.

Wiedemann in ihrer ersten Frauen-Saison und Pauline Turschner im zweiten Jahr als deutlich jüngere Jugendfahrerin gaben mit Petra Hagel, die trotz Rundenrückstand wacker kämpfte, einen sehr soliden Eindruck ab. Es siegte Nicole Markenbeck vom RSV Münster v. 1895 e.V. vor Luisa Kattinger (RV Concordia 1926 e.V. Karbach) und Heike Noever (RSV Stuttgart-Vaihingen e.V.). Markenbeck sicherte sich damit bei „Rund um das Stadttheater“ ihren ersten Saisonsieg und lobte die 800 Meter lange Strecke über Johannesstraße, Neuen Bäue, Südanlage und Goethe Straße: „Der Kurs rollt super. Die Bremse brauchte man hier nicht. Ich empfehle Gießen gerne weiter“.

Hockauf trotzt „taktischem Fehler“

Rund um das Stadttheater

Ähnlich sah es ein Teilnehmer, der sich nach dem vorangegangenen Wettbewerb der Senioren II und III über äußerst spärliche 16 Höhenmeter freute, die er auf seinen 50 Runden gesammelt hatte. Nicht ganz so begeistert aber dennoch zufrieden war Thomas Hockauf von der RSG Gießen und Wieseck, der Platz sechs der Senioren erreichte: „Ich habe heute einen taktischen Fehler gemacht und zu hoch gepokert. Zwei Fahrer aus dem gleichen Team sind weggefahren und ich dachte, ich lasse sie einfach mal ziehen. Dann drehte ich mich um, hinter mir war eine große Lücke zum Hauptfeld entstanden – nach vorne aber auch“, sagte Hockauf, der damit eine rennentscheidende Situation verpasst hatte und im Hauptfeld ein sehr offensives Rennen mit Teamkollege Ulrich Falk fuhr. „Ich bin bestimmt schon 200 Rundstrecken-Rennen in meinem Leben gefahren, aber in den letzten zehn Jahren vielleicht zwei. Da muss man sich erst wieder dran gewöhnen“, sagte Hockauf, der sich nach einer Pause im August gerade in der Vorbereitung auf die Mitte Oktober beginnende Radcross-Saison befindet. Teamkollege Falk kam auf Platz 16.

Gut gesicherter Rundkurs

An die Neuauflage des „Stadttheater-Rennens“ gewöhnen mussten sich scheinbar auch die Zuschauer, die bereits am Vormittag an die Start- und Zielgerade zwischen Stadttheater und Sparkasse gekommen waren aber noch ein wenig müde wirkten. Streckensprecher Hasso Redenz aus Königstein animierte sie und mit der immer höher steigenden Sonne stieg auch die Stimmung am schnellen Innenstadt-Oval, dass zur Neuauflage durch Organisationsleiter Thorsten E. Günther, seine Vereinsmitglieder und beteiligte Firmen fast vollständig mit Gittern abgesichert worden war. „Das machen wir in jedem Fall wieder“, sagte Günther bei ersten Gedanken an eine eventuelle Wiederholung des Rennens, denn je länger der Renntag – immerhin gute neun Stunden – desto höher wurden die gefahrenen Geschwindigkeiten der Teilnehmer, die durch ständige Sprints für Punktewertungen und Prämien sehr schnelle Rennen zeigten.

Radrennen "Rund um das Stadttheater"

Jaworski und Heinisch kämpfen solide

In den Nachwuchsklassen ging es dabei um den SV Sparkassen Fördercup des Hessischen Radfahrerverbandes und um den „Delta-Bike-Sports Cup“, bei dem einige heimische Rennfahrer über ihre bisherigen Leistungen hinauswuchsen. Eine solche Überraschung war das Rennen von Moritz Jaworski vom RSC Grünberg, der sich trotz starker Rückenschmerzen nach einem zwei Tage zuvor erlittenen Trainingssturz auf Platz sechs von elf Fahrern durchbiss. In der Klasse U13 kam Lukas Heinisch vom RSC Grünberg solide auf Rang zwölf.

Becker überrascht U17-Fahrer

Als echter Prämienjäger entpuppte sich Tim Becker von der RSG Gießen und Wieseck bei den Jugendfahrern U17. Becker zog zwei Mal überraschend an der starken hessischen Konkurrenz vorbei, die vor allem aus Fahrern des RC 07 Fulda bestand, und sicherte sich zwei Bargeldprämien, die auch die Zuschauer zu reichlich Beifall beflügelten.

Eine Sonder-Ehrung gab es im Rennen der Nachwuchsfahrer U11 für Thorben Jost von der RSG Gießen und Wieseck, nachdem er wegen eines nicht regelkonformen Lenkers nicht zum Start seiner Renklasse zugelassen und in einem nachfolgenden Rennen antreten musste. Nicht zur Ruhe kamen die Zuschauer auch beim Jedermann, dass als Einlagerennen zahlreiche heimische Radsportler und deren Freundeskreis anlockte.

Radrennen "Rund um das Stadttheater"

Herzog gewinnt „Preis der Zimmerei Kai Laumann“

Fortgesetzt wurde die inzwischen wieder routiniert wirkende Anfeuerung der Zuschauer beim Rennen der Elitefahrer Klasse C. 80 Runden „Rund um das Stadttheater“ und um den „Preis der Zimmerei Kai Laumann“ waren für diese Klasse angesetzt, in denen früh Sebastian Schubert von der RV Gießen-Kleinlinden bei den ersten Wertungssprints in Erscheinung trat. „Ich wünsche mir, dass Sebastian gewinnt. Dann müssten wir nächste Woche nicht zum Radrennen nach Rheinland-Pfalz fahren und die Saison ist beendet“, hoffte Schuberts Freundin Stephanie. Aus dem Sieg wurde nichts, aber mit Platz sieben kam Schubert zur zweiten Topten-Platzierung in dieser Saison, die ihn dem mit fünf Topten-Ergebnissen zu erreichenden Aufstieg in die B-Klasse etwas näher brachte. Auch Markus Turschner von der RSG Gießen und Wieseck drückte dem Rennen zeitweise seinen Stempel auf und war mit Platz 20 und seiner Verfassung zufrieden.

Aufwärtstrend beim Nachwuchs

Einen positiven Trend feststellen konnte auch Falk Putzke, der im Rennen der C-Klasse hinter Sieger Nikolai Herzog von der RSG Frankfurt Zweiter wurde und als Mitarbeiter des Referats Leistungssport beim Bund Deutscher Radfahrer ein Statement abgab: Eine Veranstaltung wie das „Stadttheater-Rennen“ verstärke für ihn den momentan feststellbaren Aufwärtstrend in den Nachwuchsklassen, die sich nach den zurückliegenden Problemen im Radrennsport nun langsam wieder über größere Teilnehmerfelder freuten, so Putzke.

Klarer Favorit für Eliteklasse A/B

Einen Nachteil hatten die vielen unterschiedlichen Rennklassen – insgesamt neun Klassen waren es dieses Jahr – dann aber doch: Während der gut neun Stunden dauernden Veranstaltung wirkte es, als seien weniger Zuschauer als bei vergangenen Austragungen von „Rund um das Stadttheater“ gekommen. Vermutlich verliefen sich aber die gleichen Mengen wie früher über den Tag verteilt. Einen Favoriten für den Tagessieg im Rennen der Elitefahrer A/B um den „Großen Preis der Sparkasse Gießen“ wussten aber die Meisten zu benennen: Moritz Schütz von der RV Gießen-Kleinlinden stand bei den Zuschauern hoch im Kurs. Aber auch die Konkurrenz hatte Schütz und seine Teamkollegen Silvio Welkner, Jonas Hartmann und Alister Clay auf der Rechnung. Was während der packenden Sprints um Punkte für den Tagessieg von außen nicht zu sehen war, machte Schütz nach seinem Zieleinlauf deutlich: „Alle haben auf uns geschaut und sind uns immer nachgefahren wenn wir attackiert haben, ober haben sich an unsere Hinterräder gehängt“.

Radrennen "Rund um das Stadttheater"

Sieg auf großer Bühne

Dass es für den 28-jährigen nach zahlreichen Wertungsrunden dennoch zum Sieg gereicht hatte, war ihm im Ziel zunächst nicht klar. „Es hat doch gereicht, oder?“, fragte Schütz seine Teamkollegen, die ebenfalls nicht eindeutig sicher waren. Streckensprecher Redenz konnte aber bestätigen, dass Schütz gewonnen hatte. Erst in der vorletzten Wertung hatte er das Blatt gewendet und den bis dahin auf Siegeskurs befindlichen Imanuel Jesse vom Team Erdinger Alkoholfrei distanziert. Dritter wurde nach 80 Runden Dominik Ivo vom Matrix-Racing-Team (TV Attendorn), der sich spontan bei Oberbürgermeisterin Dietlind Grabe-Bolz für die Möglichkeit einer solchen Rennstrecke bedankte. Grabe-Bolz zog an der Seite von Sparkasse-Gießen-Vorstand Peter Wolf ein ebenso erfreutes Fazit: „Ich habe heute verstanden, wie Vereinssport funktioniert. Es ist toll, wie sich die Fahrer in der Gemeinschaft unterstützen, anfeuern und füreinander einsetzen“. So fiel es wahrscheinlich für niemanden ins Gewicht, dass man in diesem Jahr auf ein Profirennen verzichtete und stattdessen dem Vereinssport eine große Bühne bereitet hatte. (sd)

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Stephan Dietel
Gründer | Redaktionsleitung | CvD | Ressortleitung Straße | Leitung Multimediaredaktion | sd@radsportnachrichten.com

Er wohnt im Gießener Ortsteil Rödgen und legte im Jahr 2001 mit Erlebnisberichten über selbst gefahrene Radrennen den Grundstein. Mit großem Interesse am Radsport und am Journalismus entwickelt er mit seinem Team die Radsportnachrichten aus Mittelhessen immer weiter.

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