Gießen – Gießen in achteinhalb Stunden: „Rundflug“ um das Stadttheater

GIESSEN – Bei 425 Runden von „Rund um das Stadttheater“ in Gießen hätte es einem schwindelig werden können. Mit dadurch „beflügelter“ Fantasie blicken wir in einem humorvollen Beitrag auf den Renntag zurück und bleiben dabei doch irgendwie auch auf dem Boden der Tatsachen. Start frei und „guten Flug“.

Radrennen mit der Fliegerei zu vergleichen ist gar nicht so abwegig, wie man im ersten Moment meinen möchte. Wer das Radrennen „Rund um das Stadttheater“ verfolgte, konnte zahlreiche Prallelen zwischen Fahrrad und Fluggerät finden, wenngleich diejenigen auf zwei Rädern, deutlich weniger zum abgehoben sein neigen, als diejenigen mit zwei Tragflächen.

Die Kürzel RSG und GSN353 waren an vielen Stellen entlang der Strecke zu sehen, zierten T-Shirts, Banner und Wegweiser. Ob man darin die Abkürzung einer Fluggesellschaft oder eines Flughafens sehen wollte, bleib der Fantasie überlassen. Die Crews von RSG, der Radsportgemeinschaft Gießen und Wieseck, und GSN353, dem Gießener Rennrad-Trainingstreff, hatten jedenfalls fleißig gearbeitet, damit es trotz vorhergesagten Regenwetters und vieler Gäste einen angenehmen „Flug“ rund um das Stadttheater geben würde. Die Rennklassen waren zwar alles andere als ausgebucht, doch „Rund um das Stadttheater“ war diesmal auch ein „Ferienflieger“ – mit all denen, die in den Sommer-Schulferien zu Hause geblieben sind. Dafür war die „Besucherterrasse“ den ganzen Tag über gut, und mittags über Stunden sogar sehr gut besucht.

Rund um das Stadttheater 2025 - Juniorinnen und Frauen
Lang, breit und mit hoher Geschwindigkeit befahren – am besten aber ohne abzuheben: Die Start- und Zielgerade von „Rund um das Stadttheater“ in Gießen. Foto: Matthias Steinberger
Startvorbereitungen

Wer sein Auto am Vorabend an der Strecke geparkt hatte, dürfte einen Sonntag mit unerwarteten Turbulenzen erlebt haben, denn auch diesmal mussten am frühen Morgen wieder zahlreiche Autos abgeschleppt werden, um die Johannesstraße startklar zu machen. Die gelben Blinklichter der Abschleppwagen wirkten wie FollowMe-Fahrzeuge auf dem Flughafen-Vorfeld. Für „Kapitän“ Torsten Günther, den RSG-Vorsitzenden, gehörte zu den Startvorbereitungen diesmal auch eine ungewöhnliche Aufgabe: In den Tagen vor dem Rennen musste er dem kürzlich aufgestellten Taubenschlag, Eingangs der Johannesstraße, einen Besuch abstatten, um dort die Menge an Flugbewegungen zu prüfen. Der Taubenschlag war aber noch geschlossen und mit Vogelschlag auf der Start- und Landebahn des Radrennens damit eher nicht zu rechnen. So konnte „Flug“ RUDS2025, nach Startfreigabe durch den Gießener Stadtrat Francesco Arman, zu seiner Reise rund um das Stadttheater aufbrechen. Pünktlich um 9 Uhr ging es los – rund achteinhalb Stunden später sollte das Rennen sein Ziel auf der seit 77 Jahren traditionellen Radrennstrecke erreichen. Mit Speisen und Getränken von heimischen Anbietern war der Service „an Bord“ des Stadttheater-Rennens erstklassig und statt Triebwerksgeräuschen gab es elektronische Klänge ins Ohr, deren DJs an Mischpulten arbeiteten, die einem Flugzeug-Cockpit sehr ähnlich schienen.

Jungfernflug mit Wassergruß

Mit dem neuen Rennmodus in der „Müller – Die lila Logistik Rad-Bundesliga“ hatte man aber auch einen Jungfernflug geplant, der die teilnehmenden Juniorinnen und Frauen gespannt und teilweise nervös machte. In Rennsportkreisen habe sich herumgesprochen: „Gießen enttäuscht nie. Gießen braucht aber Mut“, sagte Marina Steinmüller, die in ihrer Funktion als Sportliche Leiterin, die „Co-Pilotin“ des PZ Gießen Racing Team war. Die Fahrerinnen der Gießener Bundesliga-Mannschaft hatten sich im Vorfeld Mut gemacht und der wurde am Ende belohnt: Sie freuten sich außerordentlich über Platz fünf von Janina Morin Bender im A-Finale und Platz drei von Amelié Hild im B-Finale des neuen Rennmodus, der in Gießen Premiere hatte. Wenn ein Flieger oder eine Fluggesellschaft zum allerersten Mal auf einem neuen Flughafen landet, werden sie mit einer Wasserfontäne begrüßt. So konnte man den Starkregen zur Siegerehrung der Rad-Bundesliga als Willkommensgruß für den erfolgreichen Testflug dieser Neuerung einordnen. Vielleicht waren es schon ein paar Runden zu viel , wenn man jetzt im Hauptgebäude der Sparkasse Gießen ein Flughafen-Terminal vor sich sah. Jedenfalls ging es zur Siegerehrung dort hinein, denn die Ehrung ließ keinen Aufschub zu, auch wenn dann nur noch die Aktiven Platz zum Zuschauen fanden. Sparkassen-Vorstandsmitglied Ilona Roth begleitete das „Boarding“ und die Siegerehrungen.

Rund um das Stadttheater 2025 - Juniorinnen und Frauen
Nach dem spontanen „Boarding“ in der Sparkassen Zentrale in Gießen: Die Siegerehrung der „Müller – Die lila Logistik Rad-Bundesliga“ mit Ilona Roth (Vierte von links), Vorstandsmitglied der Sparkasse Gießen. Foto: Stephan Dietel
Durch die Schallmauer in den Sinkflug

Und während sie ihre Rückreise nach Sachsen, Berlin oder Bayern mit dem Auto antraten, war Streckensprecher Michael Schulz im „Tower“ auf dem Zielrichterwagen hellwach, als kurz nach 18 Uhr beim Rennen der Elite-Amateure die „Schallmauer“ von 400-Runden durchbrochen und der „Sinkflug“ Richtung Finale der diesjährigen Reise von „Rund um das Stadttheater“ eingeleitet wurde. Ein letzter Applaus für die sichere „Landung“. Und auch Torsten Günther freute sich über die gelungene Reise und die Leistung seiner Crews.

Und etliche Aktive berichteten im Ziel, dass es für sie jetzt erstmal in den Urlaub geht. Vielleicht ja mit dem Flugzeug.


Rennbericht „Rund um das Stadttheater“ 2025

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieses Beitrags hatten wir bei den Resultaten von Janina Morin Bender und Amelié Hild die Finals vertauscht und dadurch A- und B-Finale an ihren Ergebnissen falsch herum genannt. Wir haben die entsprechende Stelle im Beitrag korrigiert.

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Stephan Dietel
Stephan Dietel
Gründer | Redaktionsleitung | CvD | Ressortleitung Straße | Leitung Multimediaredaktion | sd@radsportnachrichten.com

Er wohnt im Gießener Ortsteil Rödgen und legte im Jahr 2001 mit Erlebnisberichten über selbst gefahrene Radrennen den Grundstein. Mit großem Interesse am Radsport und am Journalismus entwickelt er mit seinem Team die Radsportnachrichten aus Mittelhessen immer weiter.