Langstreckenfahrt im Sattel und im Kinosessel

GIESSEN – Knapp 150 Menschen hatten Lust auf eine 256 Kilometer lange Fahrradtour mit 4.150 Höhenmetern zwischen Marburg und dem Großen Feldberg im Taunus. Statt selbst im Sattel zu sitzen, saßen die Teilnehmenden im Kinosessel und erlebten das Radsport-Abenteuer auf der Leinwand im Kinopolis in Gießen.

Der Film „Ride As One“ begleitet die Gravelhunt der Gravelbande Marburg im Jahr 2024 mit Blick auf die beiden Hauptdarstellerinnen Marina Steinmüller und Yanin Hellmuth, die eine Langstrecken-Prüfung mit dem Fahrrad vor sich haben.

Doch bevor die Jagd nach Abenteuern, Freiheit und Zusammenhalt auf dem Fahrrad beginnen konnte, erfolgte eine Begriffserklärung vor dieser Sondervorstellung im Kinopolis Gießen: Gravelbikes sind eine Fahrradgattung, die für Fahrten über Schotter-, Wald- und Wiesenwege optimiert ist. Die Gravelhunt fügte dem englischen Wort „Gravel“, das übersetzt „Schotter“ bedeutet, das Jagen („hunt“) hinzu und steht für die jährliche Ausfahrt der Gravelbande Marburg. Die Organisierenden dieser Radsportgruppe, Linda Kaierleber und Johannes Kretzer, erklärten das, bevor die Gäste im fast ausverkauften Kinosaal die zweitägige Radtour im Film erleben konnten. Carlos Herrera ist Teil der Gravelbande Marburg, hat das Skript zum Film entwickelt und ihn in Zusammenarbeit mit dem Radbekleidungs-Hersteller Ryzon gedreht und geschnitten. Herreras stellt in seinem Dokumentarfilm die Gießenerin Marina Steinmüller und ihre Freundin Yanin Hellmuth während der Gravelhunt, einer zweitägigen Radtour zwischen Marburg und dem Großen Feldberg im Taunus, in den Mittelpunkt.

Die Hauptdarstellerinnen des Films "Ride As One" Marina Steinmüller (links) und Yanin Hellmuth.
Erlebten nach der Gravelhunt 2024 mit der Filmvorführung einen zweiten großen Moment ihrer Freundschaft: Marina Steinmüller (links) aus Allendorf/Lahn und Yanin Hellmuth aus Rockenberg, die Hauptdarstellerinnen von „Ride As One“. Foto: Stephan Dietel
Freundinnen mit unterschiedlicher Rad-Erfahrung

Die 40-jährige Marina Steinmüller aus Allendorf/Lahn ist schon seit einigen Jahren tief im Radsport verwurzelt und hat im wörtlichen Sinn viel Erfahrung auf dem Fahrrad. Die 32-jährige Yanin Hellmuth aus Rockenberg fand durch ihren Freund zum Radfahren, weil dieser regelmäßig beim Gießener Mittwochstreff mit anderen Menschen auf Ausfahrt geht. Die ersten 1.000 Jahreskilometer mit dem Fahrrad waren ein Meilenstein für Hellmuth und die Entscheidung zur Teilnahme an der 256 Kilometer langen Gravelhunt eine spontane Idee. Der näher rückende Start der zweitägigen Gruppenfahrt ließ dann auch ein paar Tränen bei der noch wenig Langstrecken erprobten Yanin Hellmuth fließen. Schon der Anstieg zum Start der Tour habe sich wie eine erste Prüfung angefühlt, schilderte Hellmuth, die mit ihrer Teilnahme herausfinden wollte, wie weit sie auf dem Fahrrad mit sich gehen kann. Vom Start in Marburg begleitet der Film die Fahrt der Gravelhunt über Dreihausen und Lollar nach Allendorf an der Lahn, wo nach 81,5 Kilometern übernachtet wurde.

Im Grenzbereich kommt „Detlef“ dazu

Über Merzhausen, Schmitten und Brombach ging es am nächsten Tag durch den Taunus und in Richtung Großer Feldberg. Und für Yanin Hellmuth immer weiter an ihr Limit – körperlich und in der Folge der Höhen- und Kilometer, hinauf zum Taunusgipfel auch mental an die Grenzen. So lernten die Kinogäste auch, was im Radsport als „Detlef“ bezeichnet wird. „Du hast dann das Gefühl, dass dich sogar der Grashalm am Streckenrand gerade provoziert“, erklärt Marina Steinmüller im Film und sorgt damit, wie einige weitere Male an diesem Abend, für Schmunzeln und Lachen im Kinosaal. In eindrucksvollen Aufnahmen auf dem Rad und aus der Luft lässt der Film die Fahrt nacherleben. Das Feldberg-Plateau zu erreichen, scheint für Hellmuth unterdessen immer unwahrscheinlicher zu werden, denn die Kräfte schwinden. Doch von den Mitfahrenden wird sie immer wieder motiviert und schafft es trotz vollkommener Erschöpfung auf den wortwörtlichen Höhepunkt der Radtour. Auf dem Rückweg nach Marburg muss sie dann zwar ab Friedberg dem Zug zur Hilfe nehmen, doch am Ziel sind alle wieder vereint und auf dieser Ausfahrt über sich hinaus und als Gruppe noch enger zusammengewachsen.

Gruppenfoto der Aktiven bei der Filmvorführung von "Ride As One"
Glückliches Gruppenfoto nach der Filmvorführung in fast ausverkauftem Saal: (von links) Autor Carlos Herreras, Gravelbande-Gründer Johannes Kretzer, die Protagonistinnen Marina Steinmüller und Yanin Hellmuth, Linda Kaierleber von der Gravelbande, Influencerin Emma Schwarz und Kinopolis-Betriebsleiter Enrico Sinner. Foto: Stephan Dietel
Radfahren soll für Alle sein

Der Film stehe damit ganz im Ansinnen der Gravelbande, beschrieben die Macherinnen und Macher. Er solle zeigen, was man zu leisten in der Lage sein kann, sagte Linda Kaierleber in der anschließenden Gesprächsrunde. Radfahren sei für alle da, schilderte Johannes Kretzer. Mit ihren regelmäßigen Ausfahrten bringt die Gravelbande seit einigen Jahren schon ganz unterschiedliche Menschen zusammen. Man wolle die Schwelle zum Mitmachen möglichst niedrig halten, betonte Kretzer. Dass die Gruppe der Radfahrenden in dem Film in einheitlicher Bekleidung und mit modernen Gravelbikes fuhr, merkte ein Zuschauer in der Fragerunde für das Publikum an. Dadurch sehe er die Schwelle zum Mitmachen – durch die Ausrüstung und deren Kosten – vielleicht doch nicht ganz so gering. Kretzer betonte, dass die Gravelbande bei ihren Ausfahrten generell offen für alle Menschen sei – unabhängig von Alter, Geschlecht, der Ausrüstung oder anderer Faktoren. Man solle einfach mit anderen Menschen Radfahren gehen und eine gute Zeit haben.

Überraschungsgast und Geschenke

Als Überraschungsgast konnte Linda Kaierleber die Gießener Radsportlerin Emma Schwarz begrüßen, die in Social-Media sehr aktiv ist und an diesem Abend schilderte, wie sich der Radsport für Frauen in jüngster Vergangenheit entwickelt hat. So gibt es inzwischen auch in Gießen rund um den Mittwochstreff der Radsportszene eine dreistellige Zahl an weiblichen Aktiven, erläuterte Marina Steinmüller. Für im Vorfeld unter den Kinosesseln verteile Markierungen konnten sich einige der Anwesenden Radsport-Produkte als Präsente auf der Bühne abholen. Und auch Kinopolis-Betriebsleiter Enrico Sinner kam als Glücksbringer im Namen der Gravelbande zum Einsatz, indem er ein paar Radsport-Accessoires im Saal verschenken durfte, mit denen man selbst auf Radtour gehen kann.


Und das Abenteuer geht weiter: Gravelhunt 2025

Alternativ findet ihr das Video auch als YouTube-Short hier.

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Stephan Dietel
Stephan Dietel
Gründer | Redaktionsleitung | CvD | Ressortleitung Straße | Leitung Multimediaredaktion | sd@radsportnachrichten.com

Er wohnt im Gießener Ortsteil Rödgen und legte im Jahr 2001 mit Erlebnisberichten über selbst gefahrene Radrennen den Grundstein. Mit großem Interesse am Radsport und am Journalismus entwickelt er mit seinem Team die Radsportnachrichten aus Mittelhessen immer weiter.