GIESSEN/GRÜNBERG – Am Sonntag sind die World Transplant Games (17.–24.08.), eine Art Weltmeisterschaft der Menschen mit einem Spendeorgan, in Dresden zu Ende gegangen. Das Turnier, an dem auch Aktive aus Mittelhessen teilnahmen, zeigte die sportliche Leistungsfähigkeit dieser Menschen und die Bedeutung des Themas – wie auch die jährliche Radtour für Organspende, die wir im Juni begleiteten.
Rund 8.000 Menschen warteten Anfang des Jahres 2025 auf ein Spendeorgan. Die Zahl der durchgeführten Transplantation in Hessen ist mit Blick auf die Vorjahre aber rückläufig, was auch an einer niedrigen Zustimmungsquote und fehlender Dokumentation der getroffenen Entscheidungen liegt. Zahlen und Fakten, die auf der vierten Radtour für Organspende mitfuhren, die am 7. Juni dieses Jahres am Uniklinikum in Gießen begann.
Für die Menschen, die auf der Warteliste für ein Spendeorgan stehen, ist das Thema jeden Tag präsent. Auch denen, die beruflich mit dem Thema zu tu haben, oder sich in Organisationen für das Thema einsetzen, ist das Thema allgegenwärtig.
Radtour am Tag der Organspende
Die Menschen zu erreichen, die ihre Entscheidung – für oder gegen die Organspende – noch nicht schriftlich festgehalten haben, hat sich die Radtour für Organspende zum Ziel gesetzt. Seit dem Jahr 2022 findet sie am Uniklinikum Gießen und Marburg (UKGM) am deutschlandweiten Tag der Organspende – immer am ersten Samstag im Juni – statt. Wir haben die Radtour besucht und in einem Film, Fotos und Text erstellt, der zeigt, wie vielfältig das Thema Organspende ist, wie wichtig es ist, die persönliche Entscheidung zu treffen und zu dokumentieren und wie leistungsfähig Menschen wieder sein können, wenn sie eine Organspende erhalten haben.
Grafik: Jan Heilenz (www.janheilenz.com) | Foto: Stephan Dietel | Bericht/Kamera/Schnitt: Stephan Dietel.
Zwischenstopp an jährlich wechselndem Ort
Rund 300 Menschen treffen sich jedes Jahr in Gießen, um Rad zu fahren und sich rund um das Thema Organspende auszutauschen. Klinik-Mitarbeitende, Menschen von Organisationen und Menschen die bereits eine Organspende erhalten haben, ihre Angehörigen und Freunde sind auf der Radtour gemeinsam unterwegs. Bei einem Zwischenstopp, der in diesem Jahr in Grünberg stattfand, wird pausiert und auch die Bevölkerung informiert. Denn: Sich mit dem Thema Organspende zu befassen und eine Entscheidung zu treffen, ob man selbst zu einer Organspende bereit ist, ist ein Anliegen der Menschen, die sich für das Thema engagieren. Und sie erläutern auch, wie wichtig es ist, die getroffene Entscheidung schriftlich festzuhalten, damit es im Ernstfall Klarheit gibt. Denn wenn ein Organ gespendet werden soll, darf keine Zeit verloren gehen.
Fotostrecke: Radtour für Organspende 2025 am UKGM in Gießen
Fotos: Stephan Dietel
Intensive Gespräche auf Marktplatz in Grünberg
Wie schön es sein kann, im Regen mit dem Fahrrad unterwegs zu sein, wussten die Menschen zu berichten, die bereits eine Organspende erhalten und damit neue Lebenszeit bekommen haben. Ein Schauer bei Watzenborn-Steinberg ließ die neu gestalteten Trikots der Radtour für Organspende erstmal unter Regenjacken verschwinden. Kurz vor Grünberg wurden die auffälligen Trikots, die optisch an den Organspendeausweis angelehnt wurden, dann immer öfter im Feld der Radfahrenden sichtbar. Verpflegung, Informationsstände und die Sonne erwarteten die Radtour und ihre Gäste auf dem Marktplatz in Grünberg, wo Zeit für intensive Gespräche war, die auch Radsportnachrichten.com zur Video-Berichterstattung nutzte. Die Wahrscheinlichkeit, selbst ein Spendeorgan zu benötigen, sei viel größer, als die Wahrscheinlichkeit, Organspenderin oder -spender zu werden, war dabei eine der nachdenklich machenden Aussagen. Und das Nachdenken anzuregen, war eines der Ziele dieser Radtour.
Grafik: Jan Heilenz (www.janheilenz.com) | Foto: Stephan Dietel | Bericht/Schnitt: Stephan Dietel, Kamera: Stephan Dietel/Monika Dietel
Plötzlich neue Lunge gebraucht
Wie schnell es gehen kann, eine Organspende zu benötigen, schilderte Roswitha Jerusel, die wir im Vorfeld der Radtour für einen Video-Beitrag zu ihrer Lebens-Geschichte der Organspende besuchten. Nach einem Wasserschaden im Keller des Wohnhauses hatte sich ungesehen Schimmel im Gebäude gebildet. Die Funktion ihrer Lunge wurde binnen weniger Monate immer schlechter und eine Allergie gegen eine Schimmelpilz-Art festgestellt. Da hatte sich in ihrer Lunge bereits eine nicht mehr zu stoppende Folge von Entzündungen und Vernarbungen des Lungengewebes in Gang gesetzt. Sie konnte nur noch wenige Schritte gehen, brauchte eine zusätzliche Sauerstoff-Versorgung mit Atem-Maske und dringend eine neue Lunge. Inmitten der Corona-Pandemie schien es um ein Vielfaches schwieriger, eine Spender-Lunge zu bekommen.
Neue Lebenszeit und Lebensqualität
Nachdem sie sich auch mit ihren ethischen Fragen der Organspende beschäftigt hatte, ließ sich Roswitha Jerusel auf die Warteliste für eine Organspende setzen. Und weil sich ein Mensch zu Lebzeiten für die Organspende entschieden hatte, konnte ihr mit dessen Lunge, gerade noch zur rechten Zeit, die Chance auf neue Lebenszeit gegeben werden. Nach der Transplantation verbesserte sich ihre Situation zusehends und sie konnte auch ihr Leben immer aktiver gestalten. So war es ihr eine Freude, zum dritten Mal mit dem Fahrrad diese Radtour für Organspende zu erleben. Sie wolle mit ihrer Teilnahme auch Menschen ermutigen, die eine Organspende erhalten haben, wieder selbst aktiv zu sein und keine Scheu zu haben, dass erhaltene Organ zu „belasten“.
Wie die körperliche Leistungsfähigkeit nach einer erhaltenen Organspende wieder zunimmt und was Menschen mit Spendeorgan leisten können, schilderte in Grünberg auch Klaus Zinnecker, der selbst seit 41 Jahren mit einer transplantierten Niere lebt und, nicht nur auf dem Fahrrad, sportlich war und noch immer ist. Mit Freude blickt er auf die World Transplant Games 2025, die Weltspiele für transplantierte Sportlerinnen und Sportler, die vom 17. bis 24. August in Dresden und zum ersten Mal in Deutschland stattfinden.
Einen Filmbeitrag zu den World Transplant Games 2025 von hessenschau.de, mit einer Aktiven aus Mittelhessen, findet ihr hier.
Weitere Informationen zu den World Transplant Games 2025 findet ihr auf www.wtg2025.com.
Berührendes Gruppenfoto bei geselligem Abschluss
Als die Radfahrenden nach ihrem Rückweg von Grünberg wieder in Gießen ankamen, wurden sie feierlich auf dem Berliner Platz vor dem Rathaus empfangen. Dieser neue Zielort der vierten Radtour für Organspende gab dem Thema im Herzen der Stadt eine große Bühne im übertragenen Sinn und den Menschen mit Spendeorgan eine Bühne im wörtlichen Sinn. Denn zum Abschluss der Radtour zeigten sie mit Tafeln im Gruppenbild, seit wie vielen Jahren sie mit Spendeorgan leben und wieviel neue Lebenszeit ihnen damit geschenkt worden ist. Das beeindruckt immer wieder auch Menschen, die beruflich mit der Organspende zu tun haben, wie unser Video zeigt.
Und auch Sabine Moos, die Transplantationsbeauftrage am UKGM in Gießen, war begeistert von dieser vierten Radtour und freut sich, dass es viel Aufmerksamkeit für die Thematik gab. Denn wen man sich mit dem Thema Organspende befasst hat, lautet ein Appell der Aktive: die persönliche Entscheidung – für oder gegen die Organspende – auf einem Organspendeausweis festzuhalten. Und die Spendebereitschaft kann man auch auf bestimmte Organe festlegen.
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Stephan Dietel
Er wohnt im Gießener Ortsteil Rödgen und legte im Jahr 2001 mit Erlebnisberichten über selbst gefahrene Radrennen den Grundstein. Mit großem Interesse am Radsport und am Journalismus entwickelt er mit seinem Team die Radsportnachrichten aus Mittelhessen immer weiter.





