Drei Fragen an: Miguel Heidemann

REDAKTION – In unserem Format „Drei Fragen an:“ befragen wir für euch Personen und Unternehmen, sowie Vereine und Veranstalter der mittelhessischen Radsportszene. Miguel Heidemann ist amtierender deutscher Vizemeister im Einzelzeitfahren und ganz nebenbei bemerkt ein Gelegenheits-Gießener.

Miguel Heidemann, Jahrgang 1999, aufgewachsen in Trier und im Jahr 2017 für ein Studium an der TU nach Darmstadt gezogen. Dem jungen Wirtschaftsingenieur mit Fachrichtung Maschinenbau liegt die Welt zu Füßen. Doch betritt er die Welt als Neo-Radprofi im französischen UCI Pro Team B&B Hotels-KTM. Miguel ist einer von acht deutschen Radrennfahrern, denen in aktueller Saison der Aufstieg in den Profisport gelang. Sein Weg führte von der Mosel über Hessen in die Weltelite. Mit 18 Jahren verließ Miguel seinen Heimatverein RV Schwalbe Trier um neben seinem Studium in Darmstadt für das U23 Bundesliga Radteam Opelit des RV Sossenheim antreten zu dürfen. Im darauf folgenden Jahr (2018) feierte der Wahlhesse im Herrmann Radteam seinen deutschen U23 Meistertitel im Einzelzeitfahren. Im Jahr 2020 winkte das luxemburgische UCI Continental Team Leopard Pro Cycling. Spätestens seit der vergangenen Saison zieht der Name Miguel Heidemann eine große Runde. Bei den Deutschen Meisterschaften im Einzelzeitfahren der Elite fuhr er nur wenige Sekunden hinter dem achtmaligen Weltmeister Tony Martin als deutscher Vizemeister über den Zielstrich. Berühmte Namen wie Maximilian Walscheid und Nils Politt mussten sich hinter dem jungen Fahrer des Leopard Pro Cycling Teams einordnen.

Miguel bewies während seiner hessischen Lebenszeit einen bemerkenswerten Spagat zwischen Teilnahmen an internationalen Straßenrennen und dem persönlich gesteckten Ziel des Studienabschlusses. Erfolgreich im Radsport. Energisch im Studienplan. Dem Ingeniör ist wohl bekanntlich nichts zu schwör. Wer denken mag, das Radsport die höchste Priorität zugeschrieben bekommt, wird über die Stellenwerte in Miguel’s Leben überrascht sein. In Gesprächen führt der bodenständige Trierer den Abschluss seines Ingenieurstudiums als seinen bisher größten Erfolg an. Man merkt ihm förmlichst an, wie bedeutsam der Abschluss in Darmstadt war – ehe der Aufstieg als Radprofi erfolgte. Trifft man Miguel in seiner Freizeit an, ist der Radsport selten das große Thema. Er genießt seine Freizeit im Kreise der Familie und mit Freunden. In unbeschreiblicher Gelassenheit erzählt er aus dem Leben, doch interessiert sich wiederum viel mehr für das Erlebte seiner Mitmenschen, anstatt über eigene Erfolge zu sprechen. Um ihn persönlich kennenzulernen mussten wir unseren Mittelpunkt der Redaktion nie verlassen. Miguel ist ein Gelegenheits-Gießener, der euch sowohl auf dem Straßenrad, als auch dem Mountainbike während einer Ausfahrt begegnen könnte.

Wir sagen Hut ab für einen jungen aufstrebenden Mann, dessen äußerst sympathische Art in der Beantwortung unserer drei Fragen gut nachvollziehbar ist.

Hey Miguel, wir gratulieren Dir zu Deinem neuen Profivertrag im UCI Pro Team B&B Hotels-KTM. Deine neuen Teamkollegen durftest Du wenige Tage vor Weihnachten im Trainingslager an der Südostküste Spaniens kennenlernen. Dort musstest Du wiederum noch das Trikot Deines vorherigen Teams tragen. Seit dem 1. Januar darfst Du die neuen Farben präsentieren. Kurz darauf erfolgte bereits die nächste Reise in ein weiteres Trainingslager. Trikot, Rad und Team – nun ist rein äußerlich alles stimmig. Doch wie fühlt es sich in Deinem Inneren an? Berichte uns gerne von Deinen ersten Eindrücken und Erlebnissen mit den neuen Kollegen.

Erstmal möchte ich mich ganz herzlich bei euch für diese Einladung bedanken!
Im November fand ein erstes Treffen in der Bretagne statt. Dort lernte ich meine neuen Teamkollegen bei diversen Unternehmungen kennen. Dabei hat sich beispielsweise herausgestellt, dass die besten Radfahrer nicht unbedingt die besten Kartfahrer sind. Anfang Dezember ging es dann für mich in mein erstes Profitrainingslager. Dort wurde von Beginn an ziemlich professionell gearbeitet, aber der Spaß unter den Fahrern kam nicht zu kurz. In diesem Trainingslager war Franck Bonnamour mein Zimmerkollege. Ich war anfangs etwas überrascht mit einem solch erfahrenen Fahrer auf einem Zimmer zu sein, aber es war super angenehm. Franck konnte mir viele Abläufe und Teamstrukturen erklären. Er hat mich sozusagen etwas an die Hand genommen. Von ihm habe ich mir auch einen täglichen Spaziergang abgeschaut, um etwas Zeit für mich zu haben. Anschließend bin ich über die Weihnachtsfeiertage zu meiner Familie nach Deutschland gefahren. Die Zeit zu Hause habe ich sehr genossen. Anfang Januar ging es dann zu einem zweiten Trainingslager an denselben Ort nach Spanien zurück. Sportlich gesehen war dieses Trainingslager deutlich anspruchsvoller. Während im ersten Trainingslager der Fokus noch auf Ausdauereinheiten lag, ging es im zweiten Trainingslager eher um spezifisches Training. Nach gut 10 Tagen Training mit Frühsport, ggf. zwei Radeinheiten und Yoga am Abend war ich froh nochmal ein paar Tage zu Hause durchzuatmen bevor es dann zu den ersten Rennen ging.

Während Du bereits von einem Trainingslager ins nächste zogst, folgte ein Jahresrückblick dem nächsten. Wir blicken gerne zurück, aber auch gespannt in die neue Radsaison. Dort verbuchst Du bereits zwei mehrtägige Etappenrennen. Dein Kalender ist vermutlich prall gefüllt, doch vieles davon bleibt uns vorerst verborgen. Darfst Du uns die ein oder andere geplante Teilnahme bevorstehender Etappen- und Eintagesrennen verraten?

Mein Saisonstart fand bei zwei französischen Rundfahrten statt, dem Étoile de Bessèges und der Tour de Provence. Beide Rennen liefen schon ganz gut und ich denke gerade im Zeitfahren konnte ich schon ein wenig zeigen, dass dort noch Potenzial liegt. Ursprünglich war ein Start bei der Tour du Rwanda geplant, den ich aufgrund einer Covid-19 Infektion absagen musste. Anfang März werde ich noch bei einem Eintagesrennen in Italien starten und anschließend ein paar belgische Halbklassiker bestreiten. Ansonsten kann ich schonmal so viel verraten, dass ich einen Start bei der Deutschland Tour anpeile. Dort gefällt mir vor allem, dass es eine Zielankunft bei uns in Hessen respektive in Marburg gibt. Natürlich würde ich mich sehr gerne nochmal für einen Mixed-Team-Relay Wettbewerb bei einer EM oder WM qualifizieren.

Ende September trafen wir Dich als Teilnehmer der Langdistanz des Dünsberg Bikemarathon in Biebertal. Vier Wochen zuvor inkognito als Zuschauer des Gießener Radrennens Rund um das Stadttheater mit der DM im Kriterium. Das viele vermutlich nicht wissen: in Gießen bist Du häufiger zu Besuch und auf dem Rad unterwegs. Für unsere mittelhessischen Leser*innen ist es daher durchaus möglich, Dir auf einer Ausfahrt zu begegnen. Doch alleine rollst Du hier selten über den Asphalt. Rund um Gießen kennst Du viele Radsportler*innen, mit denen Du gerne gemeinsam eine Runde drehst. In welche Richtungen fährst Du mit ihnen am liebsten bzw. wohin nehmen sie Dich als Gastfahrer mit?

In meinen Jahren beim Herrmann Radteam hatten wir eine Art Radfahrerzelle in Hessen gebildet. Dies ermöglichte uns gemeinsame Trainingseinheiten oder Anreisen zu Wettkämpfen. Aus Gießen kamen Victor Brück und Florian Obersteiner, aber auch ehemalige Teamkollegen wie Tim Becker oder Niclas Zimmer vom Team Opelit. Durch den E-Sport habe ich noch Julia Schallau und Valentin Szalay kennengelernt. Das sind nur ein paar meiner TrainingskollegInnen aus Gießen. Ich fahre also wirklich selten alleine. Sollte uns mal ein Leser oder eine Leserin begegnen, könnt ihr euch uns immer gerne anschließen. Mir ist es wichtig, dass wir alle nur Radfahrende sind und da ist es egal, ob man Radprofi oder AnfängerIn ist. Wenn mein Trainingsplan Intervalle am Berg vorsieht, absolviere ich diese gerne am Königsberg oder am Dünsberg. Beide sind von Gießen aus mit einem kleinen Aufwärmprogramm zu erreichen. Sollte ich eher längere flache Intervalle fahren, mache ich das gerne auf der Runde des ehemaligen Radrennens in Burkhardsfelden. Dort sind nur wenige Autos unterwegs und man hat auf einer Runde von ca. 8 km nur einmal keine Vorfahrt (natürlich ist sonst trotzdem Vorsicht geboten). An Ruhetagen tausche ich gerne das Rennrad gegen ein MTB. Eine meiner klassischen Strecken führt durch den Bergwerkswald ins Schiffenberger Tal, wo ich die ein oder andere Abfahrt auf den extra angelegten Strecken nehme.

Allen LeserInnen wünsche ich viel Spaß auf dem Fahrrad und bleibt gesund!

Beste Grüße
Euer Miguel

Und wir wünschen Miguel viel Erfolg auf allen Wegen und bedanken uns für die Investition seiner kostbaren Freizeit.

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Matthias Steinberger
Stv. Redaktionsleitung | Leitung Fotoredaktion | Ressortleitung Mountainbike, Radreise, Technik | Formatchef "Wohin am Wochenende" | mst@radsportnachrichten.com

Wohnt in Gießen, treibt seit dem Jahr 2018 das Ressort Mountainbike voran und ist Erfinder und Leiter des Formats "Wohin am Wochenende". Als Stv. Redaktionsleiter ist er eine Säule der Redaktion und zählt zum Inventar. Seine Wurzeln liegen im XC-Sport und führten durch mehrere Stationen. Der noch immer aktive Ausdauersportler ist keineswegs festgefahren. In unserer Redaktion stürzt er sich voller Begeisterung in die Welt des Radsports.

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