Tobias Eise: ein Mountainbiker auf Abwegen

SCHOTTEN – Ein Mountainbiker, der die Straße aufmischt? Der Schottener Tobias Eise ist amtierender Weltmeister im Duathlon, Hessenmeister im Einzelzeitfahren und Sieger des Riderman. Eine Saison zuvor gewann er die MTB Bundesliga. Wie hat er das geschafft?

Liest man alleine seine oben genannten Titel stellt sich schnell die Frage, wie ein erfolgreicher Mountainbiker innerhalb eines Jahres den Schalter derartig umlegen kann? Tobias Eise ist in der Saison 2019 auf seinen schmalen Reifen nahezu explodiert. Bewies dennoch mit Platz 13 bei den Deutschen Meisterschaften im Cross Country, dass er den Mountainbikesport in seinem ersten Jahr der Elite keineswegs vernachlässigte. Spätestens nach seinem sensationellen Weltmeistertitel im Duathlon, der nebenbei bemerkt eine starke Laufperformance voraussetzt, war es uns ein großes Anliegen über Tobias sportliche Entwicklung und Vergangenheit zu berichten. Was bedeutet ihm der Radsport? Woher das Talent für Mountainbike und Straße? Wo sieht er sich in der bevorstehenden Saison? Mit gezielten Fragen kontaktierten wir den Schottener Topathleten. Aus seinen Antworten und unserem gefährlichen Halbwissen über seine Palmarès entstand ein Sportlerporträt, in dem wir euch nachfolgend Tobias Eise etwas ausführlicher vorstellen dürfen.

Heimatliebe

Im Mai 1996 erblickt Tobi erstmalig das Licht über dem Hoherodskopf. Etwa zehn Jahre später beginnt der Schottener den größten Teil seiner Freizeit, im Fahrradsattel sitzend, in den umliegenden Wäldern des Vogelsbergs zu verbringen. Er schwärmt noch heute darüber, dass für Kinder wohl nichts schöner sei, als in dem kleinen Städtchen im Vogelsberg aufzuwachsen um inmitten der Natur mit Freunden zu großen und kleinen Abenteuern aufzubrechen. Durch etwas Überzeugungsarbeit seiner Eltern und eines Freundes führt eines seiner Abenteuer in die Radsportabteilung des TGV Schotten. Organisierte Trainingsgruppen, Ausflüge und Ferienlager erwecken bei Tobi eine zuvor ungeahnte Begeisterung für den Mountainbikesport. Sein Freund hingegen verliert nach wenigen Wochen das Interesse und verlässt den Verein. Tobi wiederum bleibt und möchte tiefer in die Welt des Radsports eintauchen.

Offroad oder Asphalt?

Seine Anfänge im Radsport beschreibt Tobi u.a. mit folgenden Worten: ,,Als Jugendlicher baute ich mit Freunden Schanzen für Dirt und BMX und verfolgte die Szene im Internet. Nach dem Beitritt in den TGV Schotten sammelte ich neben dem Mountainbiken auch Erfahrungen im Trial-Sport. Im Fernsehen sah ich zusätzlich Bahn- und Straßenrennen.“ Ab der Altersklasse U13 nimmt Tobi an Wettkämpfen der MTB Hessencup Rennserie teil. Neben Cross Country Rennen muss er sich auch in Technik- und Geschicklichkeitssektionen beweisen – und das mit Erfolg. Durch seine beachtlichen Ergebnisse wird der Bike-Spezialist in der Klasse U15 in den Jugendkader des Bund Deutscher Radfahrer (BDR) berufen. Das Grundlagentraining erfolgt seitdem überwiegend auf dem Rennrad. Das Mountainbike bleibt dennoch seine liebste Disziplin. Ausschlaggebend dafür war ein Vorfall, der vielen Bikern sicherlich bekannt vorkommen wird: ,,Den Kulturschock gab es bei einer Nachwuchshessenmeisterschaft, bei der sich einige Athleten vom Start bis zum Ziel nur verbal angriffen. In meinen Augen entsprach das nicht dem, für das Sport meiner Meinung nach stand. Das Thema Straße hatte sich schnell erledigt“, berichtet Tobi über eines seiner einprägsamsten Straßenrennen. In der Klasse U19 ergibt sich eine Veränderung des gewohnten Vereinsumfeldes. Neue Trainingspartner aus dem Straßenradsport holen Tobi zurück auf den Asphalt. Zwischen erfolgreichen Mountainbike Wettkämpfen erhalten Radrennen eine zweite Chance.

Auf der Straße immer häufiger anzutreffen. Hier bei der Duathlon WM im schweizerischen Zofingen. Foto: Lena Becker

Entscheidungen in der U23

In seinem ersten Jahr in der Altersklasse U23 entscheidet Tobi die Mountainbike Nationalmannschaft zu verlassen um sich auf sein Abitur zu konzentrieren. Dennoch gelangen dem Schottener, der unverändert für den TGV Schotten und das Team HWG Gedern fährt, vier Podesplatzierungen in internationalen Cross Country und Marathon Wettkämpfen. Ebenfalls zwei Teilnahmen bei Weltcups in der Schweiz und Italien. In den nachfolgenden Jahren bleibt Tobi weiterhin fokussiert. Im letzten Jahrgang der U23 gelingt ihm im September 2018 der Clou: Gesamtsieg der Internationalen Mountainbike Bundesliga. Im gleichen Jahr erscheint er auf dem Cover der 2. Auflage des Sachbuches „Krafttraining im Radsport“, geschrieben von den iQ athletik Gründern. Dass Radfahren nicht von Radfahren kommt, ist kein Geheimnis. Tobi vertraut dahingehend, wie viele weitere Topsportler auch, auf die Zusammenarbeit mit iQ athletik.

Man muss gesund und verletzungsfrei bleiben. Da für mich der Sport nie über alles Lebenswichtige hinaus stieg, habe ich in dieser Hinsicht bisher Glück gehabt. Andere, wie der Anfang des Jahres 2019 verunglückte Fabian Käßmann oder mein guter Freund und Weggefährte David Horvath, hatten dieses leider nicht und sind nun auf Unterstützung angewiesen. Das zeigt dann doch, welchem Risiko man als Sportler ausgesetzt ist und wie schnell sich das Leben gravierend verändern kann. Daher bin ich dankbar für alles, das ich bisher erleben durfte und sehe nichts als selbstverständlich an.

2019: der Riderman wird Hessenmeister und Weltmeister

Es ist ein Jahr der Superlative! Um zu erfahren, wie Straßenrennen funktionieren, schließt sich Tobi in seinem ersten Elite Jahr dem Bundesliga Team MTS – TRIEBWERK BL Cycling an. ,,Das soll meiner persönlichen Horizonterweiterung dienen, da ich Radsport in allen Bereichen Klasse finde“, erklärt der talentierte Allrounder seine neuen Absichten. Fortan führt Tobi ein Doppelleben als Mountainbiker und Straßenrennfahrer. Bei letzterem trumpft er kräftig auf. Hessenmeister im Einzelzeitfahren, Podestplatzierungen bei Kriterien und der Rad-Bundesliga, Platz drei bei der fünftägigen Oderrundfahrt und ein achtbarer Sieg des Riderman in Bad Dürrheim. Tobi blickt mit großer Zufriedenheit und Stolz auf seine Erfolge zurück. Doch am Ende steht ein viel größerer Titel für das Jahr 2019 im Vordergrund und sogar auf einem Schild in seiner Heimatstadt: Weltmeister im Duathlon. Beim sogenannten Powerman im schweizerischen Zofingen galt es dafür zuerst 10 Kilometer laufend, danach 150 Kilometer mit dem Zeitfahrrad und letztlich weitere 30 Kilometer laufend zu absolvieren. Das alles ohne Pause. Den Titel in seiner Altersklasse M20 erkämpfte sich Tobi, der offensichtlich auch laufend eine Rakete ist, unter schweren Bedingungen in einer Gesamtzeit von 6:56:22 Stunden. ,,Die letzte Laufstrecke mit ihren 30 km und 250 Hm war folglich die Hölle, aber ich konnte mich mit dem Sieg in der Altersklasse geradewegs in das Ziel retten“, gab der vielseitige Topathlet nach seinem sensationellen Wettkampf zu Protokoll. Regelmäßiges Laufen stand bei Tobi ursprünglich nur im Winter auf dem Plan. Für die Duathlon WM trainierte er vermehrt mit seiner laufbegeisterten Freundin Lena Becker, die im Jahr 2018 bei ihrem Marathon-Debüt mit einer Zielzeit von 3:00:03 Stunden sogar den dritten Platz bei den Hessenmeisterschaften belegte. Letztlich war es der Freund ihrer Mutter, der Tobi in lebhaften Sportgesprächen am Tisch zum Duathlon bewegte. Er als Triathlet bezweifelte, dass ein Mountainbiker einer solchen Aufgabe gewachsen sei. Nach seiner Darbietung in Zofingen geht der Punkt zweifellos an Tobi, der mit seinem WM-Titel zugleich die Ehre des Mountainbikesports bewahrt.

Ein steiniger Weg durch die Hölle, doch im Ziel winkte der Weltmeistertitel im Duathlon. Foto: Lena Becker

Ich bin davon überzeugt, dass jeder auf seine Art irgendwie und irgendwo bekloppt ist und für mich ist es einfach die bedingungslose Liebe zum Radsport, die ich niemals an meinen persönlichen Erfolgen gemessen habe, sondern die immer zu meinen persönlichen Erfolgen führte.

Ziele in 2020

Während unserer Veröffentlichung des Berichtes befindet sich Tobi in einem Trainingslager auf Gran Canaria um seine ersten Radkilometer des Jahres zu absolvieren. Parallel lernt er fleißig für sein Studium bei der hessischen Polizei in Wiesbaden, das er dank einer Sportförderung gegenüber der regulären dreijährigen Ausbildungsdauer auf viereinhalb Jahre verlängern darf. Ein Jahr steht ihm noch bevor. Ein Jahr, in dem aus sportlicher Sicht bereits klare Ziele vor Augen stehen. Für den TGV Schotten und das Team HWG Gedern möchte er wieder häufiger auf das Mountainbike steigen. Nicht irgendwann und irgendwo, sondern bei allen Rennen der MTB Bundesliga. Als fairer Sportsmann möchte er im Gegenzug sein Radteam MTS – TRIEBWERK BL Cycling in der gesamten Rad Bundesliga vertreten. An den Wochenenden dazwischen lassen sich bei den deutschen und europäischen Meisterschaften im Duathlon die Beine etwas vertreten. Auf unsere Nachfrage, ob das schon alles ist, erhalten wir ein zwinkerndes: ,,Der ein oder andere Wettkampf kommt sicherlich auch noch dazu.“ Wer weiß, ob sich dahinter nicht das Race Across America, ein Ironman oder der Bodensee Megathlon versteckt? Abwechslungsreiche Ausdauersportarten sind offensichtlich sein Markenzeichen. Wir behalten Tobi im Auge und werden für euch berichten!

(Text: mst | Titelfoto: Matthias Steinberger)

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Matthias Steinberger
Stv. Redaktionsleitung | Leitung Fotoredaktion | Ressortleitung Mountainbike, Radreise, Technik | Formatchef "Wohin am Wochenende" | mst@radsportnachrichten.com

Wohnt in Gießen, treibt seit dem Jahr 2018 das Ressort Mountainbike voran und ist Erfinder und Leiter des Formats "Wohin am Wochenende". Als Stv. Redaktionsleiter ist er eine Säule der Redaktion und zählt zum Inventar. Seine Wurzeln liegen im XC-Sport und führten durch mehrere Stationen. Der noch immer aktive Ausdauersportler ist keineswegs festgefahren. In unserer Redaktion stürzt er sich voller Begeisterung in die Welt des Radsports.

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