Bunte Radsport-Bühne am Stadttheater

GIESSEN – 261 Startende, die fast neun Stunden lang auf 800 Meter langer Runde um insgesamt 24 Podiumsplätzen fuhren: Die jüngste Auflage des Radrennens „Rund um das Stadttheater“ war eine bunte Bühne für den Radrennsport und eine sehr gut organisierte Veranstaltung noch dazu, die auch viele Zuschauende in Gießen anlockte.

Die Radsportgemeinschaft Gießen und Wieseck hat mit ihrer jüngsten Austragung von „Rund um das Stadttheater“ dem Radrennsport eine so professionelle und sehenswerte Bühne geboten, wie sie es wohl seit Jahren nicht mehr gegeben hat.


YouTube-Video | 09:34 Minuten | So lief „Rund um das Stadttheater“ in Gießen 2024
Grafik: Jan Heilenz | Foto: Matthias Steinberger | Bericht/Kamera/Schnitt: Stephan Dietel.

Ausgereifte Details auf mehreren Schultern
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Früh abgeschlossener Aufbau, ein neues Siegerpodest, filigran in Holz gefertigte Medaillen und attraktive Preise, direkt gegenüber der Nummernausgabe, die zu besitzen begehrlich und anspornend wirkten. Der Rennrad freundliche Fahrradständer auf dem Sparkassen-Vorplatz, viele Fahnen und aufblasbare Werbeelemente an der Strecke, und ein elektrisch angetriebener Porsche als Führungsfahrzeug im Vereinsgdesign machten das Bild rund. Das beeindruckte sogar das Organisationsteam, das man jetzt Crew nennt. Und deren „Captains“, die Vereinsvorsitzenden Torsten Günther und Martin Aslan, waren froh, dass die Umsetzung des Renntages nach langer Vorbereitung jetzt von einigen Schultern mehr getragen wird, als in früheren Jahren.

Ergebnisse

Alle Ergebnisse von „Rund um das Stadttheater“ 2024 findet ihr hier.

Nachwuchs nicht aus Mittelhessen, aber aus Lübeck

Dass man in den jüngsten Nachwuchsklassen mit Rennlizenz seit einigen Jahren keine heimischen Trikots mehr fahren sieht, ist auch der RSG Gießen und Wieseck aufgefallen. Eine Ausnahme war höchstens der Wetzlarer Jan Nissel, der früher bei der RV Gießen-Kleinlinden Kleinlinden fuhr, jetzt für die RSG Frankfurt startet und in der Jugend U17 Vierter wurde. Mit einem neuen Mountainbike-Nachwuchstraining versucht man bei der RSG Gießen und Wieseck seit einigen Wochen hier gegenzusteuern und auch das Laufrad-Rennen für die ganz jungen ohne Rennlizenz, das diesmal im straffen Zeitplan ausgesetzt wurde, könnte künftig wieder stattfinden. Bei den Schülern U13 mit Rennlizenz war, wie schon im Vorjahr, Ferdinand Pauls vom Radsport Team Lübeck nach Gießen gekommen. Nach Stationen in Neuss und Hürth während der Woche, war Platz drei bei „Rund um das Stadttheater“ ein erfolgreicher Abschluss seiner kleinen radsportlichen Rundreise mit den Eltern.



Fotostrecke: Rennen der Masters.
Fotos: Matthias Steinberger
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Rundvergütung rettet Punkte für Platz vier

Im Rennen der Masters 2, 3 und 4 hatte sich das Duo Daniel Müller und Christian Werner von der RSG Gießen und Wieseck vorgenommen, Werner auf das Podium des Masters 2 zu bringen. Müller attackierte, holte sich eine Bargeld-Prämien und hatte dann eine Lücke zu seinen Verfolgern, die er zu vergrößern versuchte. Doch mit den folgenden Punktesprint für das Tagesergebnis war dieser Vorstoß wieder vorbei. „Der Plan war: Daniel auf die Prämien und für mich die Punkte anfahren. Leider hat heute der Bumms gefehlt und dann kam auch noch Pech dazu“, sagte Werner mit Blick auf Abschürfungen am Arm und Bein. Im Übergang von der Johannesstraße zur Neuen Bäue war ein Fahrer vor ihm gestürzt und Werner in die Streckenbegrenzung gefahren, um ihm auszuweichen. Er konnte an Start und Ziel von der Rundvergütung Gebrauch machen, die nach Sturz oder Defekt eine Runde aussetzen und an gleicher Stelle im Fahrerfeld wieder einsteigen lässt. So konnte er sich und seine Punkte ins Ziel retten, auch wenn es damit nur knapp zu Platz vier in seiner Altersklasse reichte. So viel Spannung und Kampfgeist begeisterte die Zuschauenden und sorgte für einen gut besuchten Rundkurs.



Fotostrecke: Rennen der Amateure.
Fotos: Matthias Steinberger, Stephan Dietel
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Schütz mit starkem Willen aufs Podium

Im Rennen der Männer Amateure, das als „Großer Preis der Stadt Gießen“ über 80 Runden (= 64 km) lief, sah man eine vierköpfige Spitzengruppe aus Victor Wedekind (RSV Blau-Weiß Meiningen), Martin Nitzschmann (Nonstop Feelings), Louis Gentzik (SSV Gera) und Moritz Schütz von der RSG Gießen und Wieseck die sich entscheidend abgesetzt hatte, sehr gut harmonierte und dadurch mit dickem Punktepolster der regelmäßigen Wertungssprints sogar die Überrundung der Verfolger schaffte. Dem nicht genug, fuhren sie sogleich durch das Fahrerfeld erneut an die Spitze, um sich die nächsten Punkte zu sichern. Der Rundengewinn für die vier Ausreißer machte klar, dass die ersten vier Plätze ihnen gehörten, doch für Moritz Schütz war das Podium das erklärte Ziel. So riss er erneut aus, schnappte sich nochmal Punkte und sprang damit hinter Nitzschmann und Sieger Wedekind wie im Vorjahr Platz drei.

Audio | 02:01 Minuten | 28.07.24 | Stephan Dietel (radsportnachrichten.com)

Vier Jahre nach dem Comeback: 2024 zum letzten Mal Kriterium-DM

Günter Schabel , Vizepräsident Leistungssport im Bund Deutscher Radfahrer
Gießener Stadtmeisterin lebt in Friedberg

Zur Stadtmeisterschaft der Frauen ohne Rennlizenz war der Streckenrand ausgesprochen gut besucht und der Blick über die lange Start- und Zielgerade auf der Johannesstraße zeigte deutlich, dass das Gießener Traditionsradrennen auch bei der Bevölkerung hoch im Kurs steht. Die 30 Runden auf der 800 Meter langen Strecke ergaben 24 Kilometer und sahen am Ende Carolin Anna Lappöhn (Eintracht Frankfurt Triathlon) als Siegerin und neue Stadtmeisterin. Die ehemalige Gießenerin, die hier fünf Jahre gelebt und ihren Doktor gemacht hat, wollte eigentlich nur mal wieder Freunde und Bekannte beim Radrennen treffen. Das war für sie ein besonders gelungener Tag, an dessen Ende sie als Gießener Stadtmeisterin zurück nach Friedberg fuhr. Dass es für sie selbst gut lief, freute auch Clara Wüsten (Delta-Bike Gießen), die drei Minuten vor dem Start noch einen platten Reifen von ihren Mechanikern reparieren lassen musste. „Ich hab‘ ja noch so gar keine Erfahrung. Zwischendrin dachte ich, in den Runden wo keine Wertung war, es ist ja viel zu locker – soll ich mal ansprinten?“, schilderte Wüsten. Trotz der Sorge, dass die Mitstreiterinnen nach ihren Zwischensprints vorbeiziehen könnten, wurde ihr Mut mit Platz zwei in der Addition der Sprintpunkte belohnt. Dritte wurde Theresia Gehring (GSN 353 Grlz).



Fotostrecke: Rennen der Hobbyklasse Frauen.
Fotos: Stephan Dietel
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Schmid-Kreuzer gewinnt zwei Mal gestartete Stadtmeisterschaft

Den lautesten Jubel an diesem Tag bekam Maximilian Schmid-Kreuzer, der im Hobby-Rennen um die Stadtmeisterschaft der Männer mit den doppelt zählenden Punkten des Zielsprints seinen Titel als Gießener Stadtmeister absolut spannend verteidigte und die Freude darüber breit strahlend auf dem Podium, eingerahmt von Sascha Wolf (SAWO Cycling Team) und Sven Thielmann (Sebamed Racing Team), zeigte. Mit hohem Anfangstempo hatten auch Schmid-Kreuzers Vereinskollegen das Rennen gelenkt – auch, nachdem es ein zweites Mal gestartet worden war. Denn für einen Krankenwagen-Einsatz vor dem Johannes-Stift, der einer Zuschauerin zur Hilfe kam, hatte man das Rennen kurz nach dem Start unterbrochen und dann in vorheriger Rennsituation neu gestartet.



Fotostrecke: Rennen der Hobbyklasse Männer.
Fotos: Stephan Dietel
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Regen und Rennunterbrechung in Offenbach, Sonne in Gießen

Besonderheiten der Rennsport-Regularien sahen die Zuschauenden auch im Rennen um die „Müller – Die lila Logistik Rad-Bundesliga“ der Frauen und Juniorinnen über 50 Runden, die 40 Kilometer ergaben. Während vorne mit einem Stundenmittel von 45,7 km/h gefahren wurde, mussten hinten herausfallende Fahrerinnen schauen, dass sie Mitstreiterinnen zur Verfolgungsarbeit fanden, um schnell den Anschluss wieder herzustellen. Andernfalls drohte ihnen die Herausnahme aus dem Rennen, um den Wettbewerb übersichtlich zu halten und ihn nicht zu verzerren. Am Vortag hatte die Rad-Bundesliga schon in Offenbach am Main Station gemacht: Beim Rennen „Rad, Wein & Gesang“, das seit dem Vorjahr in Kooperation als Doppel-Veranstaltung mit „Rund um das Stadttheater“ stattfindet, hatte es auf regennasser 1.000 Meter Runde zahlreiche Stürze und insgesamt drei Rennunterbrechungen mit vielen Ausfällen gegeben. So dürften sich die Fahrerinnen über das schöne Wetter in Gießen gefreut haben. Die Bundesliga-Gesamtführende der Frauen, Corinna Lechner, konnte sich aber nicht so richtig freuen. Das lag nicht daran, dass Lydia Ventker (MAXX-Solar ROSE Women Racing), wie am Vortag in Offenbach, auch in Gießen gewann.



Fotostrecke: Rennen der Juniorinnen und Frauen Rad-Bundesliga.
Fotos: Stephan Dietel
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Wunsch nach Vorläufen für mehr Sicherheit

Mit knapp 80 Fahrerinnen, die sich auf zwei Altersklassen und damit unterschiedliche Leistungen aufteilen, auf solch kurzen Rundkursen zu fahren, sei ein sehr risikoreiches Fahren. Sie wünsche sich künftig Vorläufe, wenn die Rad-Bundesliga auf diesen Strecken fahre, damit sich eine kleinere Anzahl Fahrerinnen über Vorentscheide vor Ort beweisen könnten, was auch für die Zuschauende unterhaltsam sein könnte, meinte die Tagesvierte aus dem Wheel Divas Cycling Team. Beste Fahrerin des PZ Gießen Racing Teams, dem Bundesliga-Team der RSG Gießen und Wieseck, war Laura Kastenhuber auf Rang sieben.

Audio | 02:04 Minuten | 28.07.24 | Stephan Dietel (radsportnachrichten.com) und Felix Wetzstein (giessen-aktuell.de)

Sorgen um die Sicherheit: Große Starterfelder auf Kriterium-Strecken

Corinna Lechner
Corinna Lechner, Wheel Divas Cycling Team, Gesamtführende in der „Müller – Die lila Logistik Rad-Bundesliga“ der Frauen
„Großer Preis der Sparkasse Gießen“ gehört dem RSC Kempten

Für die Elite-Amateure der Männer ging es als „Großer Preis der Sparkasse Gießen“ und Abschluss des fast neunstündigen Renntags, wie schon bei den Amateuren, auch um die Qualifikation für die Deutsche Meisterschaft im Kriteriumfahren, die am 21. September in Kempten im Allgäu stattfindet. Von dort war die dominierende Mannschaft des Tages nach Gießen gekommen. Nach 100 Runden hatten Julian Kern, Jonas Schmeiser und Markus Blume vom RSC Kempten, gekrönt von einem eindrucksvollen Solo-Finale ihres Teamkollegen Moritz Augenstein, das Podium für sich und die Zuschauenden ein packendes Finale mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 50,7 km/h gesehen. Dieses Rennen solide ins Ziel gebracht zu haben, freute auch den Gießener Stefan Wahner (AVIA racing team p/b M. Schulte Söhn) der für die RSG Gießen und Wieseck fährt und als einziger heimischer Fahrer in diesem Rennen 17. wurde.



Fotostrecke: Rennen der Elite Amateure.
Fotos: Matthias Steinberger, Stephan Dietel
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Lob vom früheren Organisationsleiter

Zum Abschluss machte dann auch Valentin Lachmann, der frühere langjährige Organisationsleiter von „Rund um das Stadttheater“, einen Spaziergang um den Rundkurs und war angetan davon, wie der Renntag in seiner aktuellen Form über die Bühne geht. Ein gefühlter Ritterschlag für die heutigen Macherinnen und Macher der RSG Gießen und Wieseck.

Randnotizen

Wetten, dass …

… sie mitfahrt!? Dass sie in der Startaufstellung zum Hobby-Rennen einen platten Reifen hat, hielt Clara Wüsten erst für einen schlechten Scherz. Und auch der Streckensprecher war überrascht, als die Bitte um zweiten Minuten Zeit für einen Schlauchwechsel ausgerufen wurde. Im Stile der Fernsehsendung „Wetten, dass …“ machte der Sprecher aus dem Defekt eine Motivation für die Mechaniker. Der Wetteinsatz, wenn sie es nicht schaffen würden, war klar: Dann hätte Wüsten zuschauen müssen. Auch wenn sie etwas mehr Zeit brauchten, als die ablaufenden zwei Minuten, gelang der Schlauchwechsel unter viel Beifall, Clara Wüsten konnte mitfahren und mit Platz zwei zeigte sie, dass es sich gelohnt hat.

Siegertreppchen „tiefer gelegt“

Die RSG Gießen und Wieseck hat für ihr Rennen ein neues Siegerpodest von zwei Mitgliedern bauen lassen, das sich gekonnt in ein über die Jahre gewachsenes Gestaltungskonzept des Vereins einfügt. Bei den Aktiven dürfte es den Wunsch deutlich verstärken, am Ende eines Rennens auf einem seiner Plätze stehen zu dürfen. Dass das Siegerpodest nun etwas niedriger und damit der Schritt aufs Podest ein kleinerer, weniger hoher ist, bedeutet aber nicht, dass es im übertragenen Sinn leicht wäre, einen Platz auf dem Podium zu erreichen – erstrecht nicht bei „Rund um das Stadttheater“. Das Rennen war auch diesmal ein echter Kraftakt. Flacher auf das Treppchen steigen zu können, dann umso besser.

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Stephan Dietel
Stephan Dietel
Gründer | Redaktionsleitung | CvD | Ressortleitung Straße | Leitung Multimediaredaktion | sd@radsportnachrichten.com

Er wohnt im Gießener Ortsteil Rödgen und legte im Jahr 2001 mit Erlebnisberichten über selbst gefahrene Radrennen den Grundstein. Mit großem Interesse am Radsport und am Journalismus entwickelt er mit seinem Team die Radsportnachrichten aus Mittelhessen immer weiter.

Matthias Steinberger
Stv. Redaktionsleitung | Ressortleitung Mountainbike | Leitung Fotoredaktion | Formatchef "Wohin am Wochenende" | mst@radsportnachrichten.com

Wohnt in Gießen, sitzt als Fachwart MTB im Vorstand des Radsportbezirkes Lahn und engagiert sich als ausgebildeter DOSB-Trainer für den Nachwuchs. Matthias leitete von 2018 bis Mai 2024 das Ressort Mountainbike. Unsere Formate "Wohin am Wochenende" und "Drei Fragen an:" verdanken wir seinen Ideen. Er unterstützte unsere Redaktion sechs intensive Jahre u.a. als stv. Redaktionsleiter. Im September 2024 gab er eine Auszeit bekannt.

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