MÜNCHEN – Glücklich aber auch sichtlich abgekämpft sah die Bad Endbacherin Birgit Jüngst-Dauber aus, als sie sich als neue Deutsche Meisterin im Radcross das Trikot mit den Nationalfarben in München überstreifen durfte, Der Weg zu zum Titel war lang und hatte seinen Anfang nicht erst in der Vorbereitung dieser Saison, sondern viele Jahre früher.
Ausrichter der Deutschen Meisterschaft im Radcross der Saison 2023 war der RC „Die Schwalben“ 1894 München, der die Titelkämpfe auf einer 2.800 Meter langen, selektiven Offroad-Strecke zwischen Olympiastadion und Olympiasee in verschiedenen Altersklassen durchführte.
Der RC „Die Schwalben“ hat Erfahrung mit der Ausrichtung von Meisterschaften im Olympiapark: so wurden 1985 und 1997 sogar bereits die Weltmeisterschaften von Münchens ältestem Radsportverein unter dem Münchner Fernsehturm organisiert. 2014 belebten „Die Schwalben“ diese Tradition wieder mit dem „Rapha Super Cross“ neu und richtet seither jährlich im Olympiapark erfolgreich Veranstaltungen für den Breiten- und Spitzensport aus.
Der Titel sollte es sein
So viel sei verraten: Birgit Jüngst-Daubers Plan ist aufgegangen – die Jagd nach dem begehrten Deutschen Meistertrikot des Bund Deutscher Radfahrer stand noch auf ihrer Trophäen-Liste. Die Deutsche Meisterschaft im Radcross hatte sie schon lange im Blick – die DM in München sollte der Masters-Fahrerin jetzt endlich das Trikot mit den begehrten schwarz-rot-goldenen Streifen einbringen.
Nach vielen Profi-Jahren als Radsportlerin mit EM-Titeln, Weltcup-Gesamtsieg und noch mehr DM-, EM- und WM-Titeln im Duathlon und Triathlon hat sie nie den DM-Titel im Radsport eingefahren. In ihrer erfolgreichsten Zeit als Radsportlerin, im Jahr 2003 wurde sie Europameisterin, wurde der DM-Titel in ihrer Paradedisziplin, dem Marathon, anfangs noch nicht vergeben und später gab es Terminüberschneidungen mit internationalen Wettkämpfen. Nach der Familiengründung und der Geburt ihrer Söhne hat Birgit Jüngst-Dauer dann überwiegend Duathlon- und Triathlon-Wettkämpfe bestritten und dem Radsport etwas den Rücken gekehrt.
Fotostrecke: Birgit Jüngst-Dauber bei der Radcross-DM 2023 in München. Fotos: Kimi Tjark Dauber
Rückkehr ins Renngeschehen
Erst durch ihren ältesten Sohn, der als Schüler erfolgreich Radsport auf der Straße und im Cross bestritt, hat sie wieder mehr Radsport-Veranstaltungen besucht. „Ich musste ja eh mit, also bin ich ab und zu auch gefahren, wenn es von den Startzeiten passte“. Als dann erstmals eine Deutsche Meisterschaft für Masters-Frauen ab 40 Jahr eingeführt wurde, war der Ehrgeiz geweckt.
Im Jahr 2022 bei der Radcross-DM in Luckenwalde bei Berlin wurde sie Fünfte und bekam deutlich zu spüren, dass hier mehr gefordert wurde als nur schnell Rad zu fahren. Vor der DM im Olympiapark München holte sie sich ein paar spezielle Cyclocross Trainings-Tipps und fuhr auch ein paar Bundesliga-Vorbereitungsrennen in der Frauen-Eliteklasse. „Ich habe mein Training angepasst und habe in den Rennen gemerkt, was ich kann und was nicht – zum Beispiel das Starten und harte Antreten nach den engen Kurven – daran habe ich gearbeitet und in München ist es aufgegangen. Mein größter Vorteil auf der Strecke im Olympiapark war, dass es gleich nach dem Start mit genügend Platz bergauf ging und ich direkt nach vorn fahren konnte. Wenn man erst mal hinten eingeklemmt ist und die Strecke zu eng zum Überholen ist, ist das Rennen meist schon gelaufen. So wie letztes Jahr in Berlin, da musste ich mich mühsam mit wenigen Überholmöglichkeiten nach vorne arbeiten.“, sagt Birgit Jüngst-Dauber. „Diesmal war der Plan, das Rennen von vorn zu bestimmen und nichts abzuwarten, da die Renndistanz von nur 30 Minuten auch keine Zeit für Aufholjagden erlaubte. Die letzten zwei Wochen vor dem Rennen hatte ich mich sehr fit gefühlt und sogar mein optimales Wettkampfgewicht erreicht.“
„Alles hat mir an diesem Tag positiv in die Karten gespielt – das ungewöhnlich warme Wetter, der Anstieg gleich nach dem Start, vergessen die Reifen aufzupumpen und deshalb super Grip, die Strecke überhaupt mit viel Uphill, steilen Run-Ups und schnellen Abfahrten und nicht zuletzt hatte ich eine fehlerfreie erste Runde und damit schon einen satten Vorsprung!“
Birgit Jüngst-Dauber über ihren Sieg bei der Deutschen Meisterschaft im Radcross
Vorsprung durch Fahrtechnik
Birgit Jüngst-Daubers Rückblick auf die Radcross-DM lässt noch einmal mitfiebern: „Am Tag zuvor sind wir erst spät in München angekommen und bei der Streckenbesichtigung kam ich nicht gut zurecht – mein Vorderrad ist in den matschigen Stücken immer weggeschmiert und so hatte ich am Sonntag früh großen Respekt vor der Strecke, zumal es Nachts auch noch geregnet hatte. Dann haben wir uns vom Hotel zum Olympiapark noch verfahren und kamen erst eine Stunde vor Start an – Reifen testen war dann nicht mehr drin und ich habe auch keine Luft mehr kontrolliert – die Reifen verlieren über Nacht immer etwas Druck. Aber ich glaube, das war gut! Vor dem Start bin ich nochmal den ersten Streckenteil abgefahren und kam überraschend gut zurecht. Im Rennen lief es dann noch besser: Erster Anstieg nach vorn gefahren, in der ersten Abfahrt war nur noch die Titelverteidigerin Birgit Unterberger vor mir. Ich dachte mir, das kann ich besser und bei der nächsten Gelegenheit bin ich vorbei. Die Schlüsselstelle war für mich eine Technikpassage an einem schrägen Hang, da habe ich mir am Morgen noch bei den Männern die Technik abgeschaut und im Rennen probiert. Das klappte perfekt und auch die nächste Technikpassage habe ich sauber durchfahren. Ab da war mein Vorsprung so groß, dass ich ein gutes Gefühl hatte. In der zweiten Runde hatte ich vor der steilen Laufpassage einen krassen Sturz auf dem Kopfsteinpflaster – da war im Kopf schon Ende. Ich hatte wegen eines direkt vor mir fahrenden Seniorenfahrers – wir sind kurz nach dem Start der Masters 4 Männer gestartet – die Einfahrt zur Laufpassage übersehen und auf dem schmierigen Pflaster gebremst. Aber mein Rad war OK, mein Bein tat weh, aber egal – ich wollte ja das Trikot! Die letzte zu fahrende Runde war perfekt – kein Fehler und noch ausreichend Power. Das Rennen war mit 30 Minuten Fahrzeit eh für meine Verhältnisse sehr kurz, meist komme ich erst ab dann richtig in Fahrt.“
Mit 27 Sekunden Vorsprung auf die Titelverteidigerin Birgit Unterberger (OSC Potsdam Luftschiffhafen) und 46 Sekunden auf Dana Wagner (TV Bad Orb) konnte Birgit Jüngst-Dauber einen sicheren Start-Ziel-Sieg feiern und kurz danach das begehrte Trikot und die Goldmedaille bei der prompten Siegerehrung entgegennehmen.
DM 2024 wieder in München
Viele Zuschauer säumten die Strecke – sogar früh morgens, als die Frauen der Mastersklasse starteten, waren es schon mehr Zuschauende als bei anderen Rennen zur besten Uhrzeit. Auch im kommenden Jahr wird der Olympiapark, der mit den European Championships im Jahr 2022 aus dem Dornröschenschlaf erwacht war, erneut Austragungsort der Deutschen Meisterschaften im Radcross sein. Dies bestätigte Gunter Schabel, der Vize-Präsident Leistungssport im Bund Deutscher Radfahrer (BDR). Der Grund für die Doppelvergabe sei, dass der ausrichtende RC „Die Schwalben“ München im kommenden Jahr seinen 130. Geburtstag feiern wird. „Wir haben an diesem Wochenende großartig organisierte Titelkämpfe gesehen und freuen uns schon jetzt auf 2024,“ sagte Schabel in München.
Mehr mittelhessische Resultate
Im Rennen der Junioren U19 kam Kimi Tjark Dauber (FSC Bad Endbach), der Sohn der neuen Deutschen Meisterin Birgit Jüngst-Dauber, auf Rang 31. In der Mastersklasse 3 der Männer fuhr Alexander Koop von der RV Gießen-Kleinlinden auf Platz 17.
Verletzung statt Titelkampf
Ohne Resultat bei der Radcross-DM blieb Thomas Hockauf von der RSG Gießen und Wieseck, der sich in der Altersklasse der Masters 3 gute Chancen erhofft hatte. Er erlitt beim Training an Heiligabend des vergangenen Jahres eine „eher untypische Radfahrer-Verletzung“, so Hockauf, als er beim Radfahren wegrutschte und sich mit dem linken Bein abstützen wollte. Dabei erlitt er einen Bänderriss, der operiert werden musste und das Tragen einer Orthese für mehrere Wochen erfordert. Mit Krankengymnastik und Krafttraining statt der angestrebten Radcross-DM ging seine Wintersaison damit zu Ende. Im März möchte er dann mit dem großen Trainingslager der RSG Gießen und Wieseck auf Mallorca im Kreise seiner Vereinskollegen wieder auf dem Fahrrad in das Frühjahr starten.
Alle Ergebnisse der Radcross-DM 2023 findet ihr hier.