Corona krempelt Radsportvereine um

MITTELHESSEN – Wie groß die Bedeutung des Themas ist, zeigt der Umfang dieses Beitrags: Wir haben uns in den mittelhessischen Radsportvereinen umgehört, wie es im zweiten Jahr mit den Auflagen und Auswirkungen der Corona-Pandemie läuft. Die Herausforderungen, jetzt und in Zukunft, sind groß.

Radfahren und die Fahrradbranche erleben in Folge der Corona-Pandemie derzeit einen regelrechten Boom. Der Fahrradbestand in Deutschland ist bereits deutlich gewachsen, neue Fahrräder haben teilweise lange Lieferzeiten und bei bestimmten Ersatzteilen gibt es Lieferengpässe. Gerade jetzt sei es wichtig, dass die Menschen Sport machten. Als kontaktlose Sportart mit Abstand sei das Radfahren dafür besonders gut geeignet, sagt Dr. Jan Fleischhauer vom Allgemeinen Deutschen Fahrradclub Gießen.

Doch wie sieht es aktuell in den heimischen Radsportvereinen aus? Dort wo das gemeinsame Radfahren, das sportliche und soziale Miteinander und nicht zuletzt Wettkämpfe im Fokus stehen. „Im Augenblick ist die Situation für die einzelnen Bereich total unterschiedlich. Das fängt schon mit unterschiedlichen örtlichen Vorgaben an“, sagt Dr. Peter Pagels. Der Wetzlarer ist Vorsitzender des mittelhessischen Radsportbezirk Lahn, Vizepräsident Geschäftsführung und Medien beim Hessischen Radfahrerverband und Koordinator des Straßenradsports beim Bund Deutscher Radfahrer und hat damit einen guten Überblick über die aktuelle Situation im Radsport.

Hallenradsport ohne Sporthallen

Es gibt Vorgaben von Bund, Länder und Kommunen die zu beachten und auf den jeweiligen Bereich anzuwenden sind. Die Auslegung mancher Begriffe ist mitunter schwierig für die ehrenamtlichen in den Vereinen. Die Disziplinen des Hallenradsports, wie Kunstradsport und Radball, haben es dabei schwerer als die Disziplinen, die im Freien stattfinden können. „Der Hallenradsport auf Bezirksebene ruht total, da keine Sporthallen zur Verfügung stehen.“, bringt es Pagels auf den Punkt. Unter hohen Auflagen könnten für Kadersportler im Kunstradsport Lehrgänge stattfinden, solange sie nicht über mehrere Tage gingen. Im Radball scheue man dies aber, wegen der höheren Kontakte in dieser Disziplin. „Deutlich besser sieht es bei den Disziplinen im Freien aus. Training in kleinen Gruppen ist zumindest im Schülerbereich möglich. Bei den Älteren ist Training als Einzeltraining oder zu zweit möglich. Was fehlt sind Motivationsanreize in Form von Wettkämpfen“, sagt Pagels.

„Durch Corona driftet der Vereinssport immer mehr zum Individualsport ab.“

Wolfgang Rinn, 1. Vorsitzender der RV 1904/27 Gießen-Kleinlinden

Vorstandsmitglieder und Fachwarte in den Vereinen mussten sich seit Beginn der Corona-Pandemie in vielfacher Hinsicht auf eine neue Situation einstellen, denn neben den Veränderungen im privaten Bereich geht es darum, das Vereinsleben vollkommen neu zu organisieren, auf Veränderungen sehr kurzfristig zu reagieren, Sportlerinnen und Sportler zu motivieren und langfristig den Fortbestand der Vereine zu sichern. „Durch Corona driftet der Vereinssport immer mehr zum Individualsport ab. Dieser Trend lässt sich nicht leugnen, gerade bei Sportarten, bei denen der Verein, wenn überhaupt, nur das soziale Bindeglied stellt“, sagt Wolfgang Rinn, der Vorsitzende der RV 1904/27 Gießen-Kleinlinden.

Die Maßnahmen mit denen man einen Sportbetrieb in den unterschiedlichen Sparten derzeit ausübt, sind deshalb weit mehr als eine Notlösung. Unterschiedliche Programme auf dem Computer und Pattformen im Internet sind jetzt die Treffpunkte für den gemeinsamen Sport. Das Wintertraining der Ergometer-Gruppe fand per Videoübertragung online statt. So konnte man sich, wie sonst in der Sporthalle am Kleinlindener Schwimmbad, gegenseitig sehen und unter Anleitung gemeinsam trainieren, wenngleich jeder in den eigenen vier Wänden blieb. Bereits fest etabliert hat sich das Radfahren in der virtuellen Welt von Watopia, das Rinn mit dem Hessischen Radfahrerverband und dem Bund Deutscher Radfahrer im wörtlichen Sinne ins Rollen gebracht hat. Alle 14 Tage trifft man sich während der Wintermonate mit durchschnittlich 350 Teilnehmern aus dem gesamten Bundesgebiet und fährt, jeder zu Hause auf dem eigenen Rollenergometer, gemeinsam durch eine virtuelle Landschaft. Auch Wettkämpfe, Rennserien und Meisterschaften fanden hier bereits statt und sind auch für die Zukunft geplant.

Online-Radsport in der virtuellen Welt von Watopia. Screenshot: Wolfgang Rinn/Zwift
In der Gruppe fahren und dabei in den eigenen vier Wänden bleiben: Beim Online-Radsport in der virtuellen Welt von Watopia kommen Sportlerinnen und Sportler jeden Alters zusammen. Screenshot: Wolfgang Rinn/Zwift

Wirklich leidtragend sei aber die Jugend im Verein, sagt Rinn. „Die Idee von Onlinetraining konnte sich nicht wirklich durchsetzen, wenn man am gleichen Tag schon vier bis sechs Stunden den virtuellen Klassenraum aufsuchen musste.“ Von 20 jungen Radsportlerinnen und Radsportler kamen nach dem ersten Lockdown nach zwölf zum Training. Dem Engagement der Übungsleiter sei es zu verdanken, dass man die Gruppe nach und nach wieder auf die ursprüngliche Größe bringen konnte. Dann kam der zweite Lockdown. „Das ständige Auf und Ab, das Unverständnis, zusammen mit zehn bis 30 Schülern, je nach Situationslage, in einem Raum sitzen zu müssen, aber zu fünft nicht an der frischen Luft und mit Abstand trainieren zu dürfen, kann man auch einem 12-jährigen nicht überzeugend erklären. Der Frust sitzt tief, die Motivation ist im Keller.“

Fehlende Wettkämpfe zeigen Auswirkungen

„Ich hatte anfangs bedenken, ob alle Kids wieder den Einstieg in den Radsport und das Vereinstraining finden. Hier kann ich aber getrost sagen, alle sind wieder zum Vereinstraining gekommen. Sogar noch einige mehr, die das Radfahren für sich neu entdeckt haben“, freut sich Timo Kehm, Abteilungsleiter Radsport im TGV Schotten. Als Mountainbike-Fachwart im Hessischen Radfahrerverband hat er einen guten Überblick auf die aktuelle Entwicklung in dieser Disziplin: „Im Bereich Leistungssportler der Nachwuchsklassen ab U15 ist leider ein Rückgang zu sehen. Das bestätigten auch die Zahlen der neuen Lizenzen im Verband. Ein deutlicher Rückgang an Anträgen zeigt sich auch bundesweit. Hier fehlen meiner Ansicht nach die Motivation, das gemeinsame Training sowie die Veranstaltungen um einen Vergleich, einen Wettkampf zu bestreiten“, so Kehm.

Die Zahlen der vom Radsport begeisterten Kinder in den Vereinen sei allerdings gestiegen, was dem generellen Radsporttrend in der Bevölkerung entspräche. Viele wollten jetzt einfach Radfahren, Spaß haben, ohne den Druck ein Rennen fahren zu müssen. „Diesem Trend sollten wir entgegenstehen, den Kindern Mut machen, sich auch mal an die Startlinie zu stellen, sich ein Rennen mit Gleichaltrigen zu liefern. Denn nur so können zukünftige Spitzensportler entstehen, Veranstaltungen ausgerichtet werden und Vereine überleben“, gibt Kehm zu bedenken.

Kinder- und Jugendtraining beim TGV Schotten. Foto: Yannik Trapp
Trotz oder gerade wegen der Corona-Pandemie: Es gibt Neuzugänge in den Radsportvereinen, wie hier beim Kinder- und Jugendtraining des TGV Schotten, doch der Anreiz durch Wettkämpfe fehlt auch dem Nachwuchs. Foto: Yannik Trapp

„Ich bin stolz, dass wir trotz der schwierigen Bedingungen im letzten Oktober die deutschen Nachwuchsmeisterschaften in Gedern ausgetragen haben. Hier hat man die Freude der Sportler deutlich gesehen, die endlich wieder Rennen fahren durften. Obwohl es für uns eine große Anstrengung war, hat es sich gelohnt“. Sofern es die Lage zulässt, soll es im Juni diesen Jahres wieder einen Lauf der Bundesnachwuchssichtung in Gedern geben, mit den deutschen Meisterschaften der Altersklasse Junioren/U19 bis Elite. „Das freut mich natürlich auch als Vertreter des Hessischen Radfahrerverbandes, wenn eine DM in Hessen stattfindet. Gefreut hätte mich natürlich, wenn wir viele Zuschauer hätten begrüßen dürfen und die DM zu einem Großevent in Hessen hätten werden lassen können. Das wird wohl nichts“, ahnt Kehm.

Kunstradsportler hoffen erneut auf Hessenmeisterschaft

„Wann dürfen wir endlich wieder trainieren, werden wir oft gefragt“, sagt Renate Krönlein, die beim RSV Krofdorf-Gleiberg den Nachwuchs im Kunstradsport betreut. Nach dem ersten Lockdown habe man unter strengen Hygienemaßnahmen im Juni vergangenen Jahres das Training wieder aufgenommen. Seit dem neuerlichen Lockdown im vergangenen November konnte man bis jetzt kein Training mehr durchführen. „Wir wissen noch nicht wie viele Kinder kommen, wenn das Training wieder losgehen darf“, sagt Krönlein in Sorge um den Kunstradsport-Nachwuchs. Die Vierer-Mannschaft der Jugend hatte sich für die Hessenmeisterschaften qualifiziert, die dann nicht stattgefunden hat. Auch jetzt freut man sich wieder auf die Meisterschaft, die für den Sommer im Kalender steht. „Dafür müssen wir trainieren und können nicht in die Sporthalle“, sagt Krönlein. In Videos im Internet ist zu sehen, wie sich Kunstradsportler mit Hilfsmitteln zu Hause bemühen, um einen Teil des athletischen Trainings aufrechtzuhalten. Kein Wohnzimmer dürfte groß und sicher genug sein, um dort eine Kür auf dem Kunstrad üben zu können.

Kunstradsport vor der Corona-Pandemie beim RSV Krofdorf-Gleiberg. Archivfoto: Renate Krönlein
Ohne Landeskader-Zugehörigkeit muss der Kunstradsport in Mittelhessen aktuell ruhen: Mannschaftsküren wie der Vierer des RSV Krofdorf-Gleiberg, den das Archivfoto zeigt, sind derzeit in weiter Ferne. Archivfoto: Renate Krönlein

Trial-Biker hoffen auf Qualifikation und Meisterschaft

„Im letzten Jahr hat lediglich eine Eintagesveranstaltung, die Deutsche Meisterschaft, in einem ganz kleinen Rahmen im September stattgefunden. Die Deutsche Meisterschaft ist auch für dieses Jahr im Rahmen der Finals in Berlin geplant. Der Qualifikationslauf hierfür soll Ende Mai in Lüneburg ausgetragen werden. Ob eine oder gar beide Veranstaltungen stattfinden können beziehungsweise dürfen, gilt es abzuwarten“, sagt Rico Baak vom MSC Salzbödetal, der Fachwart für den Fahrrad-Trial im Radsportbezirk Lahn ist.

„Leider kommt gerade das komplette Vereinsleben zum Erliegen, was mich als neuen Vorsitzenden sehr betrifft.“

Marcel Meßmer, 1. Vorsitzender des RSC Grünberg

Wahrlich kein leichtes Amt hat Marcel Meßmer als gerade neu gewählter 1. Vorsitzender des RSC Grünberg: Die ebenfalls online und per Briefwahl durchgeführte Jahreshauptversammlung war eine der wenigen Veranstaltungen des Grünberger Radsportclubs seit Monaten. „Leider kommt gerade das komplette Vereinsleben zum Erliegen, was mich als neuen Vorsitzenden sehr betrifft. Ich bin ein kontaktfreudiger Mensch und hoffe, dass wir bald wieder unsere Aktivitäten in den einzelnen Sparten aufnehmen können“, sagt Meßmer. Das Nachwuchstraining der acht bis 15-jährigen ist derzeit eingestellt, an Veranstaltungen im Radtourenfahren konnte im vergangenen Jahr nicht teilgenommen werden, selbst private Radfahrten seien nur zeitweise in einer Kleingruppe möglich gewesen. Mehr als fünf Rennlizenzen kamen für die neue Saison nicht zusammen; es habe sogar eine Absage eines Nachwuchssportlers wegen der Corona-Situation gegeben, heißt es aus der Grünberger Rennsport-Sparte. So müssen sich die Vereinsmitglieder weiter an den Eindrücken der Abschlussfahrt erfreuen, die man unter Corona-Auflagen im vergangenen Jahr durchführen konnte. Motivation versucht man auch aus der Planung von Veranstaltungen zu ziehen, die Radwanderer fiebern beispielsweise ihrer wöchentlichen Ausfahrt entgegen, wenngleich niemand wirklich sagen kann, wann wieder etwas stattfinden kann.

Die Motivation aufrechtzuerhalten, auch ohne eine konkrete Perspektive oder Planungssicherheit zu haben, scheint eine der größten Herausforderung innerhalb des Vereinssports zu sein. „Nur in der Theorie auf Rennen zu trainieren ergibt keinen Sinn – für welche Rennen denn? Das ist den Kindern natürlich auch bewusst, also versuchen wir, das ganze möglichst locker und dennoch effektiv zu gestalten, so dass dennoch ein Mehrwert vom Training erzielt wird“, sagt Jugendwart Bastian Jäckel von der RSG Buchenau. Es sei ihm wichtig, die Kinder nicht unnötig zu belasten, sondern das Training auch als Ablenkung zum Alltag zu sehen. „Dann wird eben beim gemeinsamen Training zwar mal über Corona in der Schule und übers Homeschooling gesprochen, aber meist geht es darum, einfach mal abschalten zu können – zumindest für die Zeit im Training“.

Kinder- und Jugendtraining der RSG Buchenau. Foto: Bastian Jäckel
Training, das ohne Radrennen derzeit nur der Theorie und dem Abschalten vom Alltag dient: Die RSG Buchenau sorgt für ein lockeres Kinder- und Jugendtraining und für Ablenkung vom Corona-Thema. Foto: Bastian Jäckel

Dabei behilft man sich, so der Eindruck, auch mit mentalen Tricks: Man trainiere gezielt auf bestimmte Rennen, die aktuell im Renntermin-Kalender stünden. Wenn die Rennen dann kurzfristig abgesagt würden „hast du bis dahin trotzdem trainiert. Du musst dann aber diese kleinen Rückschläge verkraften, dass die Rennen nicht stattfinden“, schildert Christian Müller die Situation bei den RSG Gießen Biehler, dem Team der RSG Gießen und Wieseck in der Frauen-Radbundesliga.

Altersklassen verstreichen ohne Chance

Sehr schwierig sei auch, sagt der Sportliche Leiter, dass Sportlerinnen in sehr guter Verfassung sind, es aber nicht im Wettkampf zeigen können. Unter Umständen sei dann eine junge Sportlerin der U23-Alterklasse entwachsen und ihre dortige Chance vertan. „Das habe ich mir auch schon überlegt. Die Altersklassen trifft es heftig“, sagt Thomas Abel. Der Vorsitzende des RSV Krofdorf-Gleiberg, zwei Mal Radball-Weltmeister und einmal Vize-Weltmeister, erinnert sich an seine frühere eigene Laufbahn: „Du bist vielleicht gerade in optimaler Verfassung, Job, Schule, alles passt bei dir und dann werden dir die besten Jahre genommen. Das ist sicherlich hart. Auch wenn es weit schlimmere Dinge gibt“.

Als Chefbundestrainer im Deutschen Schützenbund, zuständig für die olympischen Disziplinen Gewehr, Pistole, Flinte und Bogen, hat Abel beruflich bedingt viel mit den aktuellen Bestimmungen der Corona-Pandemie zu tun. Begrifflichkeiten wie Profisport und Spitzensport und deren Definition waren dabei ausschlaggebend. Für die beiden Krofdorfer Landeskader-Duos war damit ein Trainingsbetrieb unter Auflagen möglich. An die Ausrichtung von Wettbewerben wagt Abel noch nicht zu denken. Die DM im Radball-Fünfer soll dieses Jahr in Krofdorf stattfinden, nachdem sie vergangenes Jahr ausgefallen ist. Ob es dazu kommen kann, möchte Abel erst noch abwarten.

Radsportbezirk Lahn wartet mit Jahreshauptversammlung ab

Neben dem Sportbetrieb findet die Verwaltung in teilweiser ungewohnter Form statt. Viele Sitzungen finden online statt oder werden durch Hoffnung auf Durchführbarkeit in den Sommer und Herbst verschoben. Beim Bund Deutscher Radfahrer (BDR) finden die Bundeshauptversammlung und die vorzubereitenden Sitzungen digital statt. „Hierbei fehlen aber die sonst in den Pausen stattfindenden informellen Austausche. Diese zu ersetzen ist nur durch weitere zeitaufwendige Telefon-und Videokonferenzen möglich“, berichtet Pagels aus seiner abstimmungsintensiven Arbeit als Koordinator Straße beim BDR. Die Jahreshauptversammlung im Radsportbezirk Lahn, dessen 1. Vorsitzender Pagels ist, hat er in Abstimmung mit seinen Vorstandskollegen bis auf weiteres verschoben. Solange keine organisatorische zwingende Notwendigkeit bestünde, wolle man bis zur Möglichkeit einer Präsenzversammlung warten. Die Jahreshauptversammlung im Radsportbezirk Lahn, dessen 1. Vorsitzender Pagels ist, hat er in Abstimmung mit seinen Vorstandskollegen bis auf weiteres verschoben. Solange keine organisatorisch zwingende Notwendigkeit bestünde, wolle man bis zur Möglichkeit einer Präsenzversammlung warten.

„Gefahr, dass wir Mitglieder verlieren oder das Interesse am Verein sinkt.“

Bastian Jäckel, Jugendwart der RSG Buchenau

„Die Situation unter den Vereinsmitgliedern an sich ist natürlich auch schwierig, da praktisch keine Vereinsmaßnahmen möglich sind. Hier besteht natürlich für uns als Verein die Gefahr, dass wir Mitglieder verlieren oder das Interesse am Verein sinkt“, sagt Bastian Jäckel von der RSG Buchenau. „Ausgefallene Veranstaltungen bedeuten auch fehlende soziale Kontakte unter Aktiven, Betreuern und Begleitpersonen. Es fehlt etwas, das nicht ersetzt werden kann. Die Belastungen für den Einzelnen werden größer. Es gibt andere Prioritäten und Herausforderungen, denen man sich stellen muss. Das kostet viel Kraft und es wird schwerer, sich auf das Ehrenamt zu fokussieren“, ergänzt Roland Wagner, der 1. Vorsitzende der RSG Buchenau.

Treue Sponsoren und ehrenamtliche Helfer

Stolz ist man bei der RSG Buchenau auch zu Pandemie-Zeiten auf deren Förderer, denn trotz der geltenden Kontaktbeschränkungen gelang es, auslaufende Sponsoringverträge zum Beispiel für das charakteristische gelbe Vereinstrikot zu verlängern, wenngleich man durch die fehlenden Veranstaltungen auch weniger Werbeplattformen bieten kann. „Ich bin froh als Abteilungsleiter Radsport im TGV Schotten, das wir keine laufenden Kosten in der Pandemie hatten oder haben. Wir müssen keine regelmäßigen Übungsleiterstunden zahlen oder Unterhaltungskosten stemmen, wie ein Fussballverein zum Beispiel. Wir zahlen nur tatsächliche Übungsstunden und haben viele ehrenamtliche Helfer“ freut sich auch Timo Kehm.

Termin-Ballung von August bis Oktober

Nochmal neue Herausforderungen dürfte es für die Vereine geben, wenn die Vereinsaktivitäten, Wettbewerbe und Veranstaltungen wieder stattfinden dürfen: „Was wir im Breitensport geraden erleben und auch kritisch beobachten: Alle Veranstaltungen werden schon heute großzügig in die Monate August bis Oktober verschoben, in der Hoffnung, dass dann was möglich sein wird. Wir werden in diesen Monaten ein Überangebot haben, wo vermutlich die kleineren Vereinsevents das Nachsehen gegenüber den kommerziellen Veranstaltungen haben werden“, sagt der Kleinlindener-Vereinsvorsitzende Wolfgang Rinn, der auch Fachwart für Radtourenfahren und Countrytourenfahren beim Hessischen Radfahrerverband ist.

Siegerehrung bei "Rund um das Stadttheater" im Jahr 2020. Archivfoto: Tobias Zappe
Selbstverständlich mit Abstand und Mundschutz: Die Ausrichtung des Traditionsradrennen „Rund um das Stadttheater“ in der Gießener Innenstadt fand im Jahr 2020 unter Corona-Hygienemaßnahmen und Auflagen statt. Archivfoto: Tobias Zappe

Im Frühjahr seien bereits einige Veranstaltungen abgesagt worden. „Meist lag es an nicht umsetzbaren Hygieneauflagen, wie keine Zulassung von Zuschauern, Corona-Tests und weiteren Punkten“, sagt BDR Straßen-Koordinator Dr. Peter Pagels. Vereinzelt hätten Wettkämpfe stattfinden können, wie der Auftakt der MTB Bundesliga. Hier hätten die großen Veranstaltung vielleicht etwas leichter, weil Auflagen eher akzeptiert und umgesetzt werden, denn „meist sind die Auflagen sowohl für den Veranstalter wie den Sportler mit zusätzlichen Kosten, wie Corona-Tests, verbunden.“ In der aktuellen Radbundesliga Straße seien ebenfalls schon Veranstaltungen abgesagt worden. Für andere anstehende Rennen hoffe man noch auf die Durchführung, so Pagels. Vieles hängt also von den aktuellen Infektionszahlen ab.

„Ich kann nicht sagen, dass es einfach ist. Natürlich wäre es ohne Corona besser. Aber es ist machbar.“

Torsten Günther, 1. Vorsitzender der RSG Gießen und Wieseck

Wie gut es funktionieren kann, ein Radrennen unter Auflagen zur Eindämmung der Corona-Pandemie durchzuführen, hat die RSG Gießen und Wieseck im vergangenen Jahr mit der Ausrichtung des Traditionsradrennen Radrennen „Rund um das Stadttheater“ erfolgreich bewiesen. Während man auf Dinge wie Verköstigung der Teilnehmer oder Besucher, Umkleiden und kurzfristige Anmeldemöglichkeiten verzichten musste, gab es neue Aufgaben für die Helfer des Vereins. Die gute Resonanz auf den Renntag dürfte die Anstrengungen des Vereins für seine Durchführung gerechtfertigt haben. Am 29. August soll das Rennen erneut stattfinden und mit dem Finale der Deutschen Kriteriumsmeisterschaft und der Frauen-Radbundesliga weiter aufgewertet werden. „Ich kann nicht sagen, dass es einfach ist. Natürlich wäre es ohne Corona besser. Aber es ist machbar“, sagt Torsten Günther von der ausrichtenden RSG Gießen und Wieseck.

Hoffen auf Straßen-Radbundesliga

Auch in anderen Outdoor-Disziplin gibt es neue Herausforderungen: „Wir sind sehr froh, die Möglichkeit des Schiffenbergs zu haben“, sagt Christian Lengwenat, der mit seinem Helferteam der RSG Gießen und Wieseck die dortige Freeride-Mountainbike-Strecke betreut. „Die meisten Bikeparks haben aktuell geschlossen. Wir weisen in den sozialen Medien sowie vor Ort auf Abstands- und Kontaktregeln hin. Das klappt gut“. Es sei im Wald aber insgesamt voller geworden. Ein kooperatives Verhalten der Fahrer, aber auch der Fußgänger, sei trotz Corona-Frust wichtig. Man versuche die Strecke so zu managen, dass sie geöffnet bleiben kann – das ginge aber nur mit Menschen, die mit sich reden ließen und Regeln befolgten, so Lengwenat.

Mit den Auswirkungen der Corona-Pandemie dürften wir alle noch eine ganze Zeit lang zu tun haben. Radsport als Einzelsportart und die neu geschaffenen Lösungen der heimischen Radsportvereine können zumindest teilweise eine Ablenkung vom alles bestimmenden Thema der Corona-Pandemie sein. Bleibt zu hoffen, dass sich mit Ende der Pandemie auch der Radsport und das Vereinsleben rasch erholen mögen.

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Profilfoto Stephan Dietel Radsportnachrichten
Stephan Dietel
Gründer | Redaktionsleitung | CvD | Ressortleitung Straße | Leitung Multimediaredaktion | sd@radsportnachrichten.com

Er wohnt im Gießener Ortsteil Rödgen und legte im Jahr 2001 mit Erlebnisberichten über selbst gefahrene Radrennen den Grundstein. Mit großem Interesse am Radsport und am Journalismus entwickelt er mit seinem Team die Radsportnachrichten aus Mittelhessen immer weiter.

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