Mittelhessen starten mit Paukenschlag

BREIDENBACH – Der „Preis der RSG Buchenau“ im Gewerbegebiet von Breidenbach hat die Saison im hessischen Radrennsport eröffnet und diesmal ein besonders erlesenes Feld an Startenden angelockt. Bei drei Grad Außentemperatur schnappten sich auch einige Mittelhessen eiskalt Plätze auf dem Podium.

In zwei Rennen war der hessische Saisonauftakt im Hinterland so etwas wie eine kleine Deutsche Meisterschaft. Den Grund dafür sollte man während dieser Rennen vielfach unter den Zuschauenden hören.

Empfindlich kalte drei Grad Außentemperatur ließen den ganzen Tag alle spüren, dass der „Preis der RSG Buchenau“ traditionell ein Frühjahrsrennen ist. Zuschauende, Wettkampf-Gericht und nicht zuletzt die Fahrer und Fahrerinnen freuten sich aber, dass der Dauerregen der Vortage in der Nacht aufgehört hatte.


YouTube-Video | 08:08 Minuten | Preis der RSG Buchenau 2023 in Breidenbach
Grafik: Jan Heilenz | Foto: Matthias Steinberger | Kamera: Stephan Dietel / Dieter Kittel, Bericht/Schnitt: Stephan Dietel.
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00:00 Rennen der Amateure | 02:48 O-Ton Luca Adler | 03:22 O-Ton Niclas Zimmer | 04:04 Weitere Rennklassen | 04:23 Rennen der Jugend U17 | 05:03 Rennen der Masters 2, 3, 4 und Junioren | 07:18 O-Ton Alexander und Arvid Koop.

Kräftezehrender Beginn bei Amateuren

Zum Rennen der Männer Amateure war die zwei Kilometer lange, anspruchsvolle Runde durch die Sattlerstraße, Schreinerstraße, Schlosserstraße, Formerstraße und Schusterstraße noch nass – während der angesetzten 30 Runden (= 60 km) sollte sie aber abtrocknen und den Tag trocken bleiben, wie unser Video vom Renntag zeigt. Schon die ersten Rennkilometer der Amateure zeigten, wie die Strecke durch ihr welliges Profil zu einer natürlichen Selektion führt und schon nach drei Runden fielen erste Fahrer deutlich zurück. Die Fahrweise der 29 angetreten Fahrer verschärfte diese Situation, wie Daniel Schulz-Thomé von der RSG Buchenau später schilderte: „Nach den ersten zehn Runden war ich richtig im Eimer. Schnell, langsam, schnell, langsam. Die ständigen Tempowechsel waren echt nervig“. Doch dann fand der Lokalmatador sein Tempo und eine Gruppe, mit der er das Rennen sicher ins Ziel brachte. Als 16. und damit sechs Plätze besser als im Vorjahr, war er mit seinem Abschneiden im Ziel sehr zufrieden und behielt sein Lächeln bei seinem Heimrennen zum hessischen Saisonauftakt bei.

Luca Adler

„Ich wusste, das ist ein guter Mann am Hinterrad.“

Luca Adler

Zwei Mittelhessen reißen aus

Zehn Fahrer fielen dem Tempo auf welligem Streckenprofil zum Opfer und mussten aufgeben, während andere an der Spitze fleißig versuchten, sich mit einer Attacke dem Tempodiktat zu entziehen und als Ausreißer ihr eigenes Ding zu machen. Dem Biebertaler Niclas Zimmer (RSG Gießen und Wieseck / Stenger-Bike-Team) und dem Gießener Student Luca Adler (TV Bad Orb) gelang nach dem ersten Drittel des Rennens der erste richtige Ausreißversuch. Die gemeinsame Flucht nach vorne hätte man zuerst als mutiges Unternehmen werten können, aus dem mit jedem weiteren Kilometer eine große Chance und am Ende eine sichere Sache wurde. In der 27. von 30 Runden attackierte Luca Adler in der ansteigenden Start-Ziel-Gerade brachial seinen befreundeten Trainingskollegen Niclas Zimmer. Die beiden hatten sich kurz zuvor auf eine freie Fahrt für ein offenes Finale verständigt, erklärte Zimmer später. Luca Adler schnappte sich damit den Tagessieg der Amateure in Breidenbach, wo er als erfahrener Mountainbiker im Vorjahr seinen allerersten Wettkampf mit dem Rennrad bestritten hatte. Zweiter wurde Niclas Zimmer, vor Philipp Mundinger (RSV Münster) und Vorjahressieger Filipe Pereira Costa (Velo Solingen). „Am Anfang wurde viel attackiert, aber immer wieder alles zugefahren. Wir haben gemerkt, dass das Fahrerfeld immer schneller und länger wird. Dann hat Niclas noch einmal attackiert. Da bin ich direkt mitgefahren, weil ich wusste, das ist ein guter Mann am Hinterrad“, schilderte Luca Adler das Zustandekommen der Spitzengruppe. „Wir sind unser eigenes Tempo gefahren. Von daher war es gar nicht so hart. Ich mag das sogar eher, wenn man konstantes Tempo fährt, als im Feld immer schnell, langsam, schnell, langsam“, sagt der Zweitplatzierte Niclas Zimmer. Und mit einem Lächeln ergänzte er, dass Luca Adler auch wieder bei ihm im Auto mit nach Hause fahren darf, so wie sie gemeinsam zum Rennen gekommen waren. Der Angelburger Christoph Mai (SC Coup Cycle Göppingen) kam auf Rang neun.



Fotostrecke: Rennen der Amateure. Fotos: Matthias Steinberger
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Nachwuchs aus Nah und Fern

Auch in den jüngsten Nachwuchs-Rennklassen der Schüler U11, U13 und U15 standen einige weit angereiste Fahrerinnen und Fahrer in den Startlisten. In der U15 war sogar eine Starterin des Etoile Cycliste aus der französischen Gemeinde Landerneau in der Bretagne unterwegs. Nils Hartmann von der RSG Buchenau kam in dieser Klasse nach zehn Runden (= 20 km) auf Platz vier und hatte sich damit ebenfalls tapfer durch sein sehr anspruchsvolles Heimrennen gekämpft.

Erfahrene Startende und namhafte Vereine

Das Rennen der Frauen über 18 Runden (= 36 km) gewann Corinna Lechner (Massi-Tactic Women Team) vor Nina Luga (RSV Friedenau Steinfurt) und Mareike Spindler (RIG Vorderpfalz). Lechner als Deutsche Meisterin im Einzelzeitfahren der Juniorinnen (2012), EM-Bronzemedaillen-Gewinnerin der Juniorinnen/U23 im Einzelzeitfahren (2015) und mit Straßen-EM Silber in der Mixed-Staffel der Frauen (2021) sorgte im gemeinsamen Rennen mit den Juniorinnen ebenso für ein sportlich hohes Niveau, wie die mit ihnen fahrende Jugend U17, die von Startenden der namhaften Kaderschmieden der östlichen Bundesländer geprägt war. Mit ihnen aussichtsreich unterwegs war Leopold Beirig. Der Fuldaer fährt für den mittelhessischen TGV Schotten und bereitete sich in Breidenbach wie einige andere in dieser Klasse auf das an Ostern folgende Sichtungsrennen auf dem Sachsenring vor. Für Leopold Beirig sprang in Breidenbach Platz vier heraus. Den nachgereichten Pokal für den Gesamtsieg im hessischen Fördercup des SV Sparkassenversicherung des Vorjahres gabs zur Siegerehrung noch dazu.

Faire Geste und starker Wind

Die hohe Anziehungskraft der anspruchsvollen Strecke im Breidenbacher Gewerbegebiet lag, wie schon für die Juniorinnen, Frauen und die Jugend U17, an der guten Terminwahl und dem Streckenprofil der ausrichtenden RSG Buchenau, denn am folgenden Oster-Wochenende soll es beim 80. Sachsenringradrennen um die „Müller – Die lila Logistik Rad-Bundesliga“ der Junioren, die Nachwuchssichtung der U17 und weitere wichtige Wettbewerbe gehen und die dortige Strecke sei der in Breidenbach sehr ähnlich – mit 3,5 Kilometern Länge nur noch länger. Diese Generalprobe sollte auch ein sehr erlesenes Fahrerfeld zum gemeinsamen Rennen der Masters 2, 3 und 4 und der Junioren nach Breidenbach locken. Doch zuvor gab es noch ein Rennen für Jedermann und -frau über 15 Runden (= 30 km), das mit einer fairen Geste des Wettkampf-Gerichts und der Sportlerinnen und Sportler begann: Sie warteten kurz, bis die Geschwister Jan und Natalie Gaudron von der RSG Buchenau startklar waren, nach dem noch eine technische Anpassung an einem der Räder vorzunehmen war. Ihnen stand, wie allen Startenden an diesem Tag, ein starker Wind auf dem höchsten Punkt der Strecke entgegen, der das einzige Flachstück auf der Strecke damit ebenfalls zu einer radsportlichen Herausforderung machte. Natalie Gaudron wurde Zweite der Jedermann-Frauen hinter Vanessa Nieminen. Der Buchenauer Mountainbike-Fachwart Lukas Arzt, am Vormittag noch Streckenposten, kam hinter Christian Neidhart und Konstantin Hebes (Team DKS) auf Platz drei der Jedermänner ab Jahrgang 1983. Für seine Runden in der Jedermann-Klasse bis Jahrgang 1982 durfte Michael Chambré (Team MCB) ebenfalls einen der begehrten, selbstkreierten Pokale des „Preis der RSG Buchenau“ mit nach Hause nehmen.



Fotostrecke: Rennen der U17, Jedermann, Masters und Junioren. Fotos: Stephan Dietel
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Wie eine kleine Deutsche Meisterschaft wirkte das Rennen der Masters 2,3 und 4. Von den vorderen Plätzen der letzten Masters-DM waren einige in Breidenbach vertreten, was vor allem durch Rainer Beckers (SC Union Nettetal) im Deutschen Meistertrikot der Masters 3 optisch deutlich wurde. Wer den Kleinlindener Alexander Koop von der RV Gießen-Kleinlinden erkennen wollte, musste wissen, dass er in der zweiten Saison für das radroo Team und damit in dessen Trikot fährt. Bereits zwei Mal konnte man ihn in dieser Saison  auf dem Treppchen sehen: Als Dritter beim Bellheimer Frühjahrkriterium und als Sieger beim GP der Südlichen Weinstraße in Schweigen. Bei drei Rennen in der gerade beginnenden Saison zwei Mal auf dem Treppchen zu stehen, dürfte Selbstvertrauen geben und Ausdrucker der aktuellen Frühform sein. Und Alexander Koop hatte in Breidenbach erfahrene Teamkollegen dabei, wie beispielsweise Dirk Müller, der im Jahr 2006 Deutscher Meister auf der Straße und 2011 Deutscher Bergmeister war.

Tempo steigt, Gruppe schrumpft

Die Masters 2, 3 und 4 mit den Junioren zeigten ein hohes Anfangstempo, das im Verlauf dann nochmal sichtbar verschärft wurde und sehr schnell zur Bildung mehrerer Gruppen führte, in denen es um die Podiumsplätze der drei gemeinsam fahrenden Masters-Klassen ging. Das alles im Blick und taktisch im Griff zu behalten, brauchte nicht nur schnelle, ausdauernde Beine, sondern auch eine sehr gute Rennübersicht. Wer sich als Zuschauer kurz einen Kaffee in der angrenzenden warmen Werkhalle bei Start und Ziel holte, lief Gefahr, etwas entscheidendes zu verpassen. Denn plötzlich war aus einer großen Kopfgruppe eine Verfolgergruppe mit dem Deutschen Meister Rainer Beckers geworden, während Alexander Koop in einem Quartett ganz vorne fuhr. Zu wissen, wer in welche Altersklasse gehört, beherrschen die Rennfahrer auch bei voller Fahrt und so verwunderte es nicht, dass sich Alexander Koop nach 23 Runden (= 46 km) als Dritter im Zieleinlauf sichtbar freute. Er hatte das Rennen der Masters 3 in souveräner Manier gewonnen. Er habe einfach sein Tempo gefahren und nicht nach hinten geschaut sagte Koop zum Zustandekommen seiner Spitzengruppe. Das ihm kaum einer folgen konnte, habe er gar nicht mitbekommen. Christoph Dittrich (RC Titan Leverkusen) und Rainer Beckers (SC Union Nettetal), beide vom Adam Donner Master Racing Team, rahmten den Kleinlindener Tagessieger auf dem Treppchen ein. Daniel Müller von der RSG Gießen und Wieseck kam im Rennen der Masters 2 auf Platz vier.

Doppel-Erfolg für Familie

Im Finale der Masters 2 und 3 behielt auch sein Sohn Arvid Koop im Trikot der RSG Frankfurt alles im Blick und seine Gegner im Rennen der Junioren auf Abstand. Mit seinem Sieg vor Alexander Götz (RSG Buchenau / Team Marco Brenner) und Constantin Frie (RSV Münster / BL-Embrace The World Cycling – U19) machte er den Doppelerfolg der Kleinlindener Familie und den Saisonstart im hessischen Straßenradsport perfekt. Alexander Götz, der sich für einen Start bei seinem Heimrennen entschieden hatte, auch wenn ihm zwei sehr namhafte Wettbewerbe in Zusmarshausen und Cottbus zur Wahl standen. dürfte mit dem hessischen Saisonstart ebenso zufrieden gewesen sein, wie Moritz Klingelhöfer, der ebenfalls das Ziel sicher und achtbar erreichte.

Nächstes Rennen am Pfingstmontag

Und auch die Radsportgemeinschaft Buchenau als Ausrichterin dürfte mit dem Renntag insgesamt sehr zufrieden gewesen sein. Für Bastian Jäckel, der in diesem Jahr als Nachfolger von Andreas Schulz neu gewählte Fachwart Rennsport und sein Team der Helferinnen und Helfer im Verein war das ein gutes Stelldichein, denn bereits am 29. Mai geht es mit dem Pfingstpreis der Gemeinde Dautphetal in Dautphe und großem Radrennsport auf der Straße im Hinterland weiter.

Ergebnisse

Alle Ergebnisse des Preis der RSG Buchenau findet ihr hier.

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Profilfoto Stephan Dietel Radsportnachrichten
Stephan Dietel
Gründer | Redaktionsleitung | CvD | Ressortleitung Straße | Leitung Multimediaredaktion | sd@radsportnachrichten.com

Er wohnt im Gießener Ortsteil Rödgen und legte im Jahr 2001 mit Erlebnisberichten über selbst gefahrene Radrennen den Grundstein. Mit großem Interesse am Radsport und am Journalismus entwickelt er mit seinem Team die Radsportnachrichten aus Mittelhessen immer weiter.

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