KROFDORF – Das ist ein Höhepunkt in Daniel Mausers Vorliebe für Anstiege: Rund 5.000 Mal ist Mauser den Anstieg im Krofdorfer Wohngebiet Auf dem Falkenberg mit dem Rennrad gefahren. Sich und seinem Lieblings-Anstieg hat er jetzt mit dem Double Everesting die Krone aufgesetzt.
Was ein Everesting ist, wissen nur Experten – und die Anwohner im Krofdorfer Wohngebiet Auf dem Falkenberg: Ein erfolgreiches Everesting bestritten zu haben bedeutet, an einem Stück so viele Höhenmeter zu sammeln, bis die Höhe des Mount Everest, des höchsten Berges der Welt, erreicht ist. Das ist auf dem Krofdorfer Falkenberg wahrscheinlich jedem bekannt und auch, dass die Straße durch das Wohngebiet 49 Höhenmeter bergauf zu bieten hat. Insgesamt 8.848 Höhenmeter verlangt ein Everesting. Im vergangenen Jahr ist das dem Gießener Daniel Mauser mit seinem Fahrrad gelungen – in besagtem Wohngebiet Auf dem Falkenberg.
„Der Daniel“ ist für die Anwohner des Falkenbergs fester Bestandteil ihres Nach-Hause-Weges. Sie kennen ihn und er kennt sie, Er weiß wann sie mit dem Hund Gassi gehen, Besuch bekommen oder das Auto gewaschen haben, denn Daniel Mauser ist die Straße Auf dem Falkenberg gut 5.000 Mal schon gefahren – im Training für sein dortiges Everesting im vergangenen Jahr und bei der Vorbereitung für sein nächstes Vorhaben, über das die Anwohner natürlich schon lange Bescheid wussten: Das Double Everesting, also zwei Mal den Mount Everest hoch.
Fotostrecke: Daniel Mauser beim Double Everesting | Fotos: Stephan Dietel
Um die erforderlichen 17.696 Höhenmeter am Stück zu erreichen müsste Mauser den Anstieg zum Falkenberg rund 370 Mal hochfahren. Dass er dabei mit rund 260 Kilometern eine vergleichsweise kurze Strecke zurücklegt, ist die Besonderheit des Krofdorfer Streckenabschnitts und ein Grund für Mausers Vorliebe für diese Strecke. Sie weist viele Höhenmeter auf kurzer Strecke auf und verläuft schnurgerade. Doch dieser Vorteil bringt auch vermeintliche Nachteile mit sich: Nach dem Aufstieg, der zwischen drei und vier Minuten dauert, folgen nur wenige Sekunden Abfahrt, bevor der Bremspunkt erreicht ist, gewendet und wieder hochgefahren wird. Über all das wissen die Anwohner bestens Bescheid und sie wussten auch, wann Mausers großer Tag ansteht, an dem er das doppelte Eversting in Angriff nimmt.
Um 4:58 Uhr am Freitagmorgen nahm Mauser im Sattel seines Rennrades Platz. Die anfänglichen Runden und Höhenmeter war er noch alleine unterwegs, bis die ersten Anwohner zur Arbeit aufbrachen. Auf der schmalen Straße machten sie seiner Bergauffahrt bereitwillig Platz, auch um das Autofenster herunter zu lassen, nach seinem Befinden zu fragen und ihm viel Erfolg zu wünschen. Zum Feierabend würden sie ihn wiedersehen, wenn sein Vorhaben gut verläuft, Aber auch am Morgen des nächsten Tages sollte Mauser noch unterwegs sein, denn rund 28 Stunden Fahrzeit würden die 17.696 Höhenmeter mit Sicherheit erfordern.
Spendenaufruf begleitet Ausdauerfahrt
Während für Daniel Mauser der Ablauf aus Bergauffahrt, Wende, Abfahrt, Wende und wieder hinauf, der immer gleiche wie im Training und bei seinem ersten Everesting war, wechselten die Besucher an der Strecke ständig. „Ich freue mich über jeden Einzelnen von euch“, hatte Mauser eine Einladung zum Besuch seiner Fahrt ausgesprochen, die auch in der Presse und im Internet verbreitet worden war. Dass viele von seinem Plan des doppelten Everestings wussten, hatte für Mauser von doppelter Wichtigkeit: Im Rahmen des Everestings hatten Daniel Mauser und seine Frau Eva, mit ihren Kindern Ida und Alma, zu Spenden für eine befreundete Familie aufgerufen, deren Vater kürzlich verstorben und die dreifache Mutter jetzt vor neue Herausforderungen gestellt ist.
So kamen über den Tag verteilt die zahlreichen Zaungäste nicht nur zum Zuschauen und Anfeuern, sondern auch zur persönlichen Abgabe einer Spende an die Strecke, darunter auch viele der Anwohner. All das erfreute und motivierte Mauser, wie er immer wieder in kurzen Zurufen bergauf bekundete, wenn er nicht gerade Nahrung aufnahm oder trank. Denn die steile Abfahrt ließ dafür, mit beiden Händen fest am Lenker, keine Gelegenheit. Um 8:20 Uhr waren schon 2.700 Höhenmeter eingefahren. Gegen Mittag ging es über die 6.000 Höhenmeter und um 19:30 Uhr standen mehr als 10.000 Höhenmeter auf dem Tacho. Das einfache Everesting, also 8.848 Höhenmeter, war damit schon mal geschafft und fast nicht der Rede wert. Doch dann kam die Nacht und damit der Teil seiner Ausdauerfahrt, vor dem Daniel Mauser am meisten Respekt hatte.
Kurze Einsamkeit in der Nacht
Mausers Eltern, die während der gesamten Fahrt im Basislager im unteren Drittel des Falkenbergs für Helferdienste zugegen waren, steckten den Straßenrand gegen Monotonie oder Müdigkeit in der Nacht mit kleinen batteriebetriebenen Positionsleuchten ab. Der Nudelauflauf von Frau Eva, für den ein paar Minuten Pause möglich waren, und der Besuch von Tochter Alma war für Mauser ein letzter Höhepunkt vor der Fahrt in die Nacht. Die sei zwischen zwei und drei Uhr bei rund 13.600 Höhenmetern echt einsam gewesen, sagt Mauser. Zu dieser Zeit waren einen Moment lang keine Zuschauer an der Strecke und auch keine Co-Radler mit ihm unterwegs, die ihn in den Stunden zuvor abwechselnd begleitet und mit Gesprächen abgelenkt und motiviert hatten. Einzig der Verkehrsfunk im mitgeführten Radio, regelmäßige Schlücke Eistee und seine Eltern sorgten für Unterhaltung. Aus der Nacht hinaus hatte Mauser dann wieder einen Radsportler zur Seite, der zu Hause nicht schlafen konnte und deshalb früher als geplant an den Falkenberg gekommen war. Während man die Strapazen in seinen Beinen nur erahnen konnte, war seinem Gesicht die lange und steile Nacht deutlich anzusehen. 15.152 Höhenmeter waren um 5:21 Uhr geschafft. Zwischen die Gedanken an das Finale mischten sich auch Ideen für ein Abweichen vom eigentlichen Ziel: Auf der Internetseite, in der alle erfolgreichen Everestings notiert werden, fehle bei ihm noch der Eintrag des dreifachen Everestings auf dem Fahrrad, oder ein Everesting zu Fuß, grübelte Mauser beim schnellen Frühstücks-Stopp mit nachdenklichem Grinsen. Doch der Gedanke, das Triple anzusteuern, um im nächsten Jahr nur noch das Doppel fahren zu müssen, war ebenso schnell wieder vom Tisch, wie der Waffelsnack zum Start in Morgen.
1.000 Höhenmeter bis zum Ziel
Als die letzten 1.000 Höhenmeter anstanden, gewann die fast 27 Stunden gefahrene Bergauf-Gerade spürbar an Attraktivität für Daniel Mauser, denn er befand sich jetzt quasi auf der Zielgeraden. Die Gespräche wurden häufiger und die Höhenmeter immer öfter rückwärts gezählt. Die Zuschauer aus Familie, Freunden und Anwohnern wurden wieder mehr, was ein Zeichen der nahenden Zielankunft war. Um 9:52 Uhr war es dann soweit: Mit kleiner Zugabe, damit auch alles in trockenen Tüchern ist, hatte Mauser das Double Everesting geschafft – 17.741 Höhenmeter in 28:54 Stunden mit dem Fahrrad gefahren und dabei 261 Kilometer bei einem Stundenmittel von 9,1 km/h zurückgelegt. Das Fahrrad wurde im Ziel erstmal weg gestellt und mit den Besuchern in allerlei Gedanken geschwelgt. Mauser dankte für die Unterstützung für ihn und für die Spenden zugunsten der befreundeten Familie. Seinen Dank richtete er neben seiner Frau und seinen Eltern auch an die Anwohner, verbunden mit dem Hinweis, dass man ihn in den nächsten Tagen erstmal nicht am Falkenberg treffen werde. Doch wahrscheinlich bringt in schon sehr bald das nächste Vorhaben wieder an „seinen“ Anstieg im Krofdorfer Wohngebiet.
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Stephan Dietel
Er wohnt im Gießener Ortsteil Rödgen und legte im Jahr 2001 mit Erlebnisberichten über selbst gefahrene Radrennen den Grundstein. Mit großem Interesse am Radsport und am Journalismus entwickelt er mit seinem Team die Radsportnachrichten aus Mittelhessen immer weiter.